Elternbriefe-online
www.grundschulservice.de
seit
2005
Schreiben
nach Gehör:
Die
Anlauttabelle - ein absurdes Unterrichtsmedium
Elternbrief Nr. 26
(Juni 2019)
Interessierten
Lesern, die die schulische Arbeit mit Anlauttabellen nicht kennen, wird
empfohlen, mit dem Kapitel V. zu beginnen, um dann mit Kap. I.
fortzufahren.
I.
(An)lauttabellen:
untauglich befunden schon vor einem halben Jahrtausend
Von naiver
Simplizität sind sie heute noch
immer:
Aber bunt sind sie geworden.
Abb. 1
Peter Jordan (1533):
Lauttabelle
Abb. 2
Abb. 3
(https://www.google.de/search?q=Anlauttabellen
.......)/Stand 31.03.2016
Eine kostenlose
Anlauttabelle zum Herunterladen aus: 'Familothek - das andere
Eltern-Magazin'
Abb. 4
(http://www.familothek.de/anlauttabelle.html/Stand:
Juni 2013)
Über die 'Verbindlichkeit'
heißt es beim WDR:
"...
.Wobei die
Ministerin klar macht, dass sie sich wünscht,
dass 'Lesen durch Schreiben', auch bekannt als 'Schreiben nach Hören',
nur in der ersten Klasse eingesetzt wird. Aber
verbieten will sie es
nicht. Sie hofft lieber, dass der Wunsch einer
Ministerin
Gewicht hat."* (WDR-
nachrichten/landespolitik/deutsch-unterricht/ Stand: o1.08.2019)
*(Fett-/Farbmarkierungen
d. d. Autor)
Abb.
5
Screenshot
vom 01.08.2019
Den
Kindern des
Landes NRW bleibt wohl auch weiterhin der Unterricht nach 'Lesen durch
Schreiben'/'Schreiben nach Gehör' nicht erspart. Weder gibt es einen
Erlass zum Verbot der verschiedenen Unterrichtskonzepte nach 'Lesen
durch
Schreiben'/'Schreiben nach Gehör' bzw. der Rechtschreibwerkstatt
Sommer-Stumpenhorsts,
noch gibt es entsprechende
Erklärungen Gebauers für die Medien: Sie wünscht
es, wie wir vom WDR erfahren. Die
bisherigen
Ankündigungen der Schulministerin Gebauer zum Schriftspracherwerb im
Anfangsunterricht sorgten eher für Verwirrung und Unmut - zu Klarheit
und Erleichterung bei den Eltern führten sie jedenfalls
nicht.
Die im Juli 2019 veröffentlichte
Handreichung
des
Ministeriums für Schule und
Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen - 'Hinweise und Materialien für einen
systematischen Rechtschreibunterricht in der Primarstufe in NRW'
ist in der Tat alles andere als ein Verbot: Sie ist eine Handreichung für noch
mehr selbstbestimmtes und selbstorganisiertes Lernen, für eine
Ausweitung des materialzentrierten Unterrichts, der nun noch
aufgestockt wird um den Einsatz der sog. modernen Medien und
der
dazugehörigen Software, darunter eine 'sprechende
Anlauttabelle'. Eine
bessere Werbung für ihre Konzepte samt der dazugehörigen Materialien
hätten sich all die Brügelmänner,
Brinkmänner und Sommer-Stumpenhorsts nicht ausdenken können.
Gebauers
neue
Pädagogik:
"
'Die
Regeln der deutschen Rechtschreibung können und müssen
von der ersten
Klasse an gelernt werden', erklärte Ministerin Gebauer zum
Auftakt
einer Fachtagung in Düsseldorf."* (Schulministerium
NRW - Pressemitteilungen/2019/ Stand: 01.08.2019)
"Künftig sollten
Lehrer wieder verstärkt kontrollieren, dass Schüler von Anfang
an richtig schreiben, hieß es im Schulministerium."
(Grundschüler
sollen korrekt schreiben lernen/Stand: 01.08.2019)
*(Fett-/Farbmarkierungen
d. d. Autor)
Gebauers neuen 'Masterplan Grundschule' könnte man
als
Reaktion auf die jüngste Studie zum
Schriftspracherwerb verstehen. (In: Der
Verlauf des Rechtschreib-Lernens - drei Didaktiken und ihre
Auswirkungen auf Orthographie und Motivation in der Grundschule. Tobias
Kuhl & Una M. Röhr-Sendlmeier Universität Bonn, Institut für
Psychologie. Bonn 2018)
Untersucht wurden in dieser Studie die Rechtschreibleistungen von
Grundschulkindern, die
entweder mit einem systematischen
Fibelansatz, dem freien Konzept 'Lesen
durch Schreiben'/'Schreiben nach Gehör'
oder mit der 'Rechtschreibwerkstatt'
(Sommer-Stumpenhorst) unterrichtet wurden,
wobei im Unterricht nach den beiden
letztgenannten Konzepten Anlauttabellen als Leitmedium dienten. Es
zeigte sich, "dass die
Fibelkinder bei allen 5
Messzeitpunkten der HSP* signifikant bessere
Rechtschreibleistungen mit
großem Effekt im Vergleich zur Gruppe erbrachten, die mit der
'Rechtschreibwerkstatt'
unterrichtet worden war. (ebd.) Wie Röhr-Sendlmeier
und Kuhl
mit ihrer Studie zeigten, "machten die Kinder unserer Stichprobe, die
mit 'Lesen durch Schreiben' gelernt hatten, am Ende des vierten
Schuljahres 55 Prozent mehr Fehler als die Fibelkinder. Die
'Rechtschreibwerkstatt'-Kinder, die nach einem verwandten Ansatz*
lernen, machten 105 Prozent mehr Fehler. Dabei wiesen die
„Lesen-durch-Schreiben“-Kinder zu Beginn ihrer Schulzeit sogar größere
Vorkenntnisse auf." (Bonner
Professorin hält nichts von "Lesen durch Schreiben"/Stand:
20.07.2019) Fazit der beiden
Wissenschaftler: "Kinder,
die mit einem
strukturierten Lehrwerk, also einer Fibel, Rechtschreibung erlernten,
sind den Kindern, die nach einer sogenannten freien Methode arbeiteten,
in ihren Rechtschreibleistungen in jedem Schuljahr in hohem Maße
überlegen." (ebd.)
*Die
HSP (Hamburger
Schreibprobe) dient
der Erfassung des orthographischen Strukturwissens und der
grundlegenden Rechtschreibstrategien
**Gemeint
ist hier die 'Rechtschreibwerkstatt'
des N.
Sommer-Stumpenhorst
Zentrales
Unterrichtsmedium der umstrittenen
Methoden 'Lesen
durch Schreiben' bzw. 'Schreiben nach Gehör' sowie der
'Rechtschreibwerkstatt' bleibt nach Gebauers Intervention weiterhin die
Anlauttabelle. Mit ihrem Einsatz
wird Schreibanfängern eine 1:1-Beziehung zwischen Lauten und
Buchstaben vorgegaukelt, begleitet wird diese törichte Lehre durch den
ständig sich wiederholenden Appell 'Schreib, wie du
sprichst!'. Die deutsche Schrift ist jedoch bei weitem keine
Lautschrift. Wer allerdings nicht weiß, "dass die Relationen zwischen
Schriftsystem und Lautsystem vielschichtig und z. T. verwickelt, ja
verworren sind" und keineswegs "die Orthographie eine reine oder auch
nur halbwegs klare Abbildung des phonetisch/phonologischen Systems" ist
(Prof. Dr.
Karl-Heinz Ramers: Einführung in die Phonologie. München 2001), wird im Unterricht bedenkenlos
Anlauttabellen
als ein Medium
zum Erlernen auch der Rechtschreibung einsetzen. Wenn bisher
flächendeckend über drei, sogar vier Jahre hinweg im
Grundschulunterricht Anlaut-/Laut-/Buchstabentabellen
genutzt wurden, bedeutet dies, dass Kindern zugunsten der Praxis nach
dem Rechtschreibkonzept 'Schreib, wie du sprichst!'
unendlich viel Zeit genommen wurde, die zu einem erheblichen
Anteil auf unterschiedlichen Prinzipien
basierende Rechtschreibung zu erlernen. Über längere Zeit die Kinder
mit Anlauttabellen arbeiten
zu lassen, heißt, sie über längere Zeit lautfixiert
- nach der Parole 'Schreib, wie du
sprichst!' - Sprechen in Schrift umsetzen zu lassen. Was
das bedeutet: Dieser 'Unterricht' ist schädlich, weil er verhindert,
die Kinder "und das ist lerntheoretisch gravierend - Orthographie als
ein Regelsystem, das erkundbar ist, wahrnehmen zu lassen."
(Prof. Christa Röber in:
Renate
Valtin/Bernhard Hofmann (Hrsg.): Kompetenzmodelle der Orthographie.
Berlin 2009)
Lernstarke
Kinder kommen - möglicherweise auch nach Eingriffen durch
außerschulische Hilfen
- bei ihren Konstruktionsversuchen mit der Anlauttabelle schon sehr
bald
dahinter, dass
Verschriftungen mit Hilfe ihres
Arbeitsmediums nur selten den Beifall ihrer Adressaten finden:
- ihre
Schreibergebnisse müssen
ständig korrigiert werden - wie jetzt gefordert
wird,
-
ihre Verschriftungen
können von Fremdlesern
nur mit
Mühen oder überhaupt nicht in
gesprochene sinngebende
Wörter/Texte zurückübersetzt werden.
Wenn
sie selber schon Stunden
oder Tage später ihre zuvor geschriebenen
Wörter/Texte kaum
mehr lesen bzw. enträtseln können, mag aus ihrer Enttäuschung
über
ihr vermeintliches Versagen bald Unmut werden.
Jetzt
wäre der so eindrucksvoll beschriebene "fruchtbare
Moment im Bildungsprozess"
im Sinne des wunderbaren Pädagogen
Friedrich Copei
gekommen: Kinder zeigen anderen Kindern an Hand von Beispielen, an
welchen Stellen sie bei
ihren Verschriftungen gescheitert sind und dass 'Schreib, wie du
sprichst!' und
'Schreib,
wie du es hörst!'
nur manchmal funktionieren. Das wäre jetzt auch die Stunde der
Lehrerin/des
Lehrers: die Entdecker des Problems tüchtig zu loben, allen Kindern an
geeigneten Beispielen noch einmal die Problematik zu verdeutlichen, sie
in
kindgerechter, vielleicht sogar humorvoller Manier für eine Lernhaltung
zu motivieren, die
sie zu ihrem Ziel führen
kann - so schreiben zu können wie die Erwachsenen. Jetzt geht es darum, die
Orthographie als
ein Regelsystem kennenzulernen.
Zum
unterrichtlichen Einsatz von Anlauttabellen heißt es
in
der 'Handreichung' des Ministeriums für Schule und
Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen - 'Hinweise und Materialien für einen
systematischen Rechtschreibunterricht in der Primarstufe in NRW' -
(Juli
2019):
- "Da
die Kinder mit sehr unterschiedlichen Schrifterfahrungen in die Schule
kommen, werden sie eine Buchstabentabelle auch sehr unterschiedlich und
unterschiedlich lange nutzen – die meisten nur ein paar Monate.
Buchstabentabellen ermöglichen und erfordern also einen hochgradig
individualisierten Anfangsunterricht."
Lehrerinnen/Lehrer,
die ihre Schreibnovizen wochen-/monate-/jahrelang bei ihrem
mühsamen
herumrätselnden Tun mit der Anlauttabelle zuschauen und mit sprudelnden
Elogen begleiten, würden
anstatt dessen bei den ihnen anvertrauten Schreibanfängerinnen und
Schreibanfängern mit einem wirksamen Unterricht schon nach wenigen
Wochen den Kenntnisstand erreichen können, dass
- 'Schreib, wie du sprichst!' keine
Option ist,
über
diesen Weg 'schreiben zu
lernen wie die Erwachsenen',
-
sich
mit Hilfe der Anlauttabelle nur eine kleine Anzahl von Wörtern so
verschriften lässt, dass die Lehrerin/der Lehrer sie nicht korrigieren
müssen,
- die deutsche Schrift keine
Lautschrift ist.
Auch
dieses folgende in Fettdruck markierte Statement ist in
Gebauers Handreichung nachzulesen:
- "Voraussetzung
für das Schreiben mit einer Anlauttabelle ist, dass das Kind das
alphabetische Prinzip unserer Schrift grundsätzlich verstanden hat
und lautliche Einheiten im Gesprochenen identifizieren kann." (ebd.)
Ein
Kind, das "das
alphabetische Prinzip unserer Schrift grundsätzlich verstanden hat", hat
gelernt, was es mit dem alphabetischen
bzw. dem phonematischen Prinzip
unserer Schrift auf sich
hat: dass
es eine 1:1-Beziehung zwischen
Lauten und
Buchstaben nicht gibt, dass wir im Deutschen
lediglich lautorientiert
schreiben und keineswegs regelmäßig bzw. eher selten so schreiben
dürfen,
wie wir sprechen.
Für Kinder, die das
alphabetische Prinzip unserer Schrift verstanden und
nach wenigen Schulwochen sogar schon erkannt haben, "dass die
Relationen zwischen
Schriftsystem und Lautsystem vielschichtig und z. T. verwickelt, ja
verworren sind" und keineswegs "die Orthographie eine reine oder auch
nur halbwegs klare Abbildung des phonetisch/phonologischen Systems" ist (Prof.
Dr.
Karl-Heinz Ramers: Einführung in die Phonologie. München 2001), gibt
es wohl keine
sinnvollen und weiterführenden Lernziele mehr, die mit dem
unterrichtlichen
Einsatz von Anlauttabellen erreicht werden könnten. Es ist wohl eine ziemlich
irrwitzige Idee: Kinder, die wissen, dass die deutsche Schrift keine
Lautschrift ist und sie somit
auch die Problematik um die Gewichtung des
alphabetischen Prinzips bei
unserem Schreiben kennen,
dann noch mit einer Anlauttabelle Wörter und Texte verschriften zu
lassen. Wie
steht es da wohl um die Motivationslage bei diesen Kindern? Sie haben einen Anspruch darauf,
dass ihnen jetzt
jegliches Herumwurschteln mit der Anlauttabelle erspart bleibt und sie
zügig und konsequent das rechte Schreiben über einen soliden
regelbasierten Wissensaufbau erlernen
können.
"Voraussetzung
für das Schreiben mit einer Anlauttabelle ist, dass
das Kind das
alphabetische Prinzip unserer Schrift grundsätzlich verstanden hat und
lautliche
Einheiten im Gesprochenen identifizieren kann." (Handreichung des
Ministeriums für Schule und Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen, Juni
2019) Die
erste Aussage dieses Zitats wurde
gerade zuvor fokussiert. Die
hier aufgeführte weitere "Voraussetzung
für das Schreiben mit einer Anlauttabelle" (in Fettdruck), nämlich die
Fähigkeit, lautliche Einheiten im Gesprochenen
identifizieren zu können, löst
eine weitere Frage aus. Auch dazu mögen sich die
Vertreter der Lesen-durch-Schreiben-/Schreiben-nach-Gehör-Versionen
lieber nicht äußern: Der modernen Phonetik folgend gilt „die
Auffassung, in der gesprochenen Sprache entspräche den Buchstaben der
geschriebenen Sprache eine wohlgeordnete Folge abgrenzbarer
Einzellaute" als "schlichtweg falsch". [.....] "Sie gehört
ins Reich
der Fiktion".
(Pompino-Marschall, Bernd:
Einführung in die Phonetik. Berlin/New York 1995) Durch
die vielfache
Überlagerung lautlicher Einheiten durch Nachbareinheiten ist es noch
nicht einmal maschinell möglich, phonetisch diskrete Segmente zu
gewinnen. Und viele 'Laute' sind in Isolation gar nicht aussprechbar.
(ebd.)
Ursula Bredel,
Professorin
für deutsche
Sprache und ihre Didaktik, bezeichnet das Modell
des "genauen Hinhörens" und des "genauen Aussprechens" nicht nur für
Kinder mit dialektalen oder soziolektalen Sprachbiographien, sondern
auch für Kinder mit standarddeutscher Aussprache als eine "unlösbare
Aufgabe". (Ursula
Bredel:
(Verdeckte) Probleme beim Orthographieerwerb des Deutschen in
mehrsprachigen Klassenzimmern. In: Wilhelm Grießhaber, Zeynep Kalkavan
(Hrsg.): Orthographie- und Schriftspracherwerb bei mehrsprachigen
Kindern. Freiburg 2012.) Abgesehen von der Frage nach
der
Sinnhaftigkeit und der Praktikabilität der Arbeit mit Anlauttabellen
müssten vor dem Einsatz solcher Buchstabentabellen Auge
und Ohr sowie die Sprechorgane
der Kinder sorgsam geschult werden, erläutert wird diese Problematik in
den Kapiteln
IV.
und VII. .
Kindern,
die mit
Anlauttabellen ihr anfängliches Schreiben einseitig an diesem sog.
phonematischen Prinzip
ausgerichtet
haben, kann man nur
wünschen, dass sie
die Ergebnisse ihrer Verschriftungsversuche mit der Anlauttabelle bald
wieder vergessen: Schließlich ist das phonematische
Prinzip in hohem
Ausmaß überformt durch andere Prinzipien, z. B.
durch das morphematische,
grammatikalische,
semantische Prinzip (mehr dazu in Kap. VII). Das
phonematische
Prinzip ist nämlich keineswegs das allein maßgebliche und durchweg
vorherrschende Prinzip der Rechtschreibung in der
deutschen Schriftsprache.
Für wenige
Wochen
könnte die
Anlauttabelle durchaus ein Hilfsmittel sein, den
Kindern einsichtig zu
machen, dass es zwar Wörter gibt, die sich - bei Standardaussprache -
mit Hilfe der Anlauttabelle
'lautgetreu' und auch in
orthographischer Hinsicht korrekt verschriften
lassen, wie 'Papa', Opa, Kino', dass aber bei 'Ente'/'Änte',
'Korb'/Korp, 'Fux'/Fuchs' und 'Höhle'/'Höle' im Hinblick auf die
Rechtschreibung das simple 1:1-Prinzip
nach der Methode
'Schreib,
wie du sprichst!' nicht mehr
funktioniert. Die
Anzahl der Wörter, die
sich mit
Hilfe der Anlauttabelle
sowohl 'lautgetreu' als auch in orthographischer Hinsicht korrekt
verschriften lässt, ist ziemlich überschaubar. In
gut der Hälfte aller Wörter
findet sich übrigens ein Laut, der sich in Anlauttabellen nicht mit
einem eigenen Buchstabenzeichen darstellen lässt: das 'Schwa',
der im Deutschen mit Abstand am häufigsten vorkommenden Vokal [ə],
stets geschrieben
als <e>
wie
in Falle, gegen, singen:
also mit dem
Buchstaben <e>,
mit dem wir auch das <e> in 'Esel' und
in 'Ente' verschriften - wobei sich 'lautgetreu' 'Ente'
auch als 'Änte' verschriften ließe.
Dass jetzt 'Lesen durch Schreiben' - also 'Schreiben nach
Gehör'
- weiterhin angewendet werden
darf, ist mehr als verwunderlich, steht doch diese Kompromisslösung
Gebauers,
die gewiss nicht ohne Absprache mit den Schulbuchverlagen
sowie deren Autoren erfolgen konnte,
geradezu im Widerspruch zu ihren Forderungen, man müsse die Kinder
"von Anfang an zum normgerechten Schreiben hinführen".
Künftig
sollten
Lehrer wieder verstärkt kontrollieren, dass Schüler von Anfang an
richtig schreiben, so Gebauer. Lehrerinnen
und Lehrer, die
sich allerdings damit begnügen, den Kindern die korrigierten
Schreibversuche
lediglich als stumme Rückmeldung oder auch mit einem noch so
kindgemäßen Korrekturhinweis anzubieten, hätten sich das auch ersparen
können: Der Lernzuwachs bezüglich der Rechtschreibung wird höchstens
bei Null liegen. Solche Korrekturen sind völlig umsonst, würde im
Anschluss nicht auf die normwidrigen Schreibungen solide
unterrichtlich
reagiert. Eine knappe Beratung wäre nicht viel mehr als eine ziemlich
dilettantische pädagogische Maßnahme! Was könnten Kinder schon aus
ihren "Privatschreibungen", die
nicht den Regeln der Orthographie entsprechen, lernen, wenn nicht daran
gearbeitet wird?
Wie nützlich ist eine Beratung, die
sich an dem folgenden Hinweis aus der
Handreichung
Gebauers
orientiert:
"Während
das sog. Dehnungs-h (fährt, fah-ren) in der Grundschule als Ausnahme
bzw. Merkwort behandelt wird, kann das silbentrennende bzw. -initiale
<h> mit Hilfe der Grundform erschlossen werden (geht
wegen
ge-hen). Diese grammatische Operation verlangt also auch Einsicht in
das morphematische Prinzip."
Beispiel: Ein Schüler der 1. Klasse schreibt
lautorientiert mit der
Anlauttabelle: 'sofia get in den gatn'. Die Lehrerin/der
Lehrer kontrolliert: Der Schüler soll ja richtig schreiben von Anfang
an. Die oben genannte Hilfe "geht
wegen ge-hen"
ist sicherlich nicht in Betracht zu ziehen: Wir sprechen
[ge:ən]
- das
'h' wird auch in der Standardaussprache nicht gesprochen - ,
was
dann auch wie <geen> verschriftet
werden könnte, und 'er get' wäre dann auch in orthographischer Hinsicht
nicht zu beanstanden. Das eingefügte 'h'
dient hier als Lesehilfe. Der Lösungsansatz "geht
wegen ge-hen" kann
einem lautorientiert mit der
Anlauttabelle
verschriftenden
Schüler keine Hilfe sein. Der Schüler müsste
schon mit der Schreibung von 'gehen'
vertraut sein, um 'geht' als Wortverwandschaft zu 'gehen'
erkennen zu können.
Aber in solche Rechtschreiblösungsmöglichkeiten nach
dem morphematischen Prinzip ist
er noch nicht eingewiesen worden. Diese oben von
der
Handreichung
Gebauers
nahegelegte Lösung ist von einem Erstklässler in Wirklichkeit
nicht zu erreichen. Dieses Beispiel zeigt wohl auch die Fragwürdigkeit,
ob man lautorientiert mit der Anlauttabelle
verschriftende Kinder parallel dazu mit
Häppchen aus der Orthographie füttern kann/darf/sollte.
In
E-Mails von Eltern an 'Elternbriefe-online' wurde berichtet, dass am
Ende einer 1. Klasse die Schreibnovizen unter Zuhilfenahme einer
Anlauttabelle eine kleine Geschichte
schreiben sollten. Dabei hatten die Wörter "Vase"/"Blumenvase" für den
Ablauf eine zentrale Bedeutung. Drei miteinander befreundete Mädchen
schrieben diese Wörter unterschiedlich:
A. Vase
- B.
Plumwase - C.
Blumnfase
Alle
drei Texte wurden mit einem lobenden Signal – jedoch unkorrigiert - den
Kindern zurückgegeben. Bei allen hieß die Rückmeldung: "Schön!" Wie
Kinder das eben so tun: Sie verglichen ihre belobigten Texte
miteinander und waren einigermaßen irritiert. Was haben diese Kinder
wohl gelernt?
Kinder
sollen durch Lehrerkorrekturen, so heißt es, nicht entmutigt werden. In
einer weiteren E-Mail wurde berichtet: Kinder einer zweiten Klasse
schrieben in einer Geschichte "Pfeat", "Vert", "Pfert" und
"Feat". Sie alle wurden belobigt - und den Eltern wurde versichert,
ihre Kinder seien auf einem guten Weg. Auch dieses Prozedere muss nicht
weiter kommentiert werden. Diese Kinder haben ein
Erfolgserlebnis. Sie werden die Ergebnisse ihrer
erfolgreichen
Konstruktionsprozesse abspeichern und auch nicht vergessen, dass
die Lehrerin ihr
Wohlgefallen signalisiert hat – das macht sie sicher. Die pädagogische
Psychologie weiß: Jedes Lob, jede Rückmeldung wie "Schön!" oder
"Prima!" oder
"Kann man ja gut lesen!" wirkt sich verstärkend auf die Speicherung des
Gelernten im Langzeitgedächtnis aus: sowohl des orthographisch
Richtigen, das gelernt
wurde, als auch des orthographisch Falschen, das sich aus den
individuellen Konstruktionsversuchen ergab.
Künftig
sollen Lehrerinnen und Lehrer, so Gebauer, nun verstärkt
kontrollieren, dass Schüler von Anfang an richtig schreiben. Schon
recht bald dürften die ersten Kinder keinen Zweifel mehr daran haben,
dass wohl irgend etwas nicht richtig sein kann: wenn sie nach der
Maßgabe 'Schreib, wie du sprichst!' und mit Hilfe der
Anlauttabelle unter gewissenhaften Anstrengungen Wörter, sogar
Texte verschriften, die zu Schreibungen führen, die ihre
Lehrerinnen und Lehrer bei den Überprüfungen dann schließlich
größtenteils für korrekturbedürftig halten - und das wieder und wieder.
Wie bereits erläutert: Wenige Wochen genügten, den Kindern an Hand von
Anlauttabellen
einsichtig zu machen, dass es zwar Wörter gibt, die sich - bei
Standardaussprache - mit Hilfe der Anlauttabelle 'lautgetreu'
und sogar in orthographischer Hinsicht korrekt verschriften lassen,
dass das
sog. phonematische Prinzip jedoch mit großer
Häufigkeit zugunsten anderer Prinzipien außer Kraft gesetzt wird: "Es
gibt eine irgendwie
geartete Zuordnung von Graphemen zu Phonemen." (Jakob
Ossner: Orthographie. System und Didaktik. Paderborn 2010)
Ziel von
Lehrerinnen und Lehrern müsste es demnach sein, mit einer zielführenden
Wortauswahl auf der Basis einer bewährten
und wissenschaftlich abgesicherten Methode die
Kinder in die Systematik der deutschen
Rechtschreibung zu begleiten. Anlauttabellen als Leitmedium dürften
dann allerdings keine Rolle mehr spielen. Ob die jetzt vorgeschlagene
Einführung dieses sog. Grund-/Modell-/Rechtschreibwortschatzes
mit 533
Wörtern, den die Kinder sich
bis
zum Ende der
vierten Klasse (!)
anzueignen
haben, ein
geeigneter Weg ist, die Kinder in die
Systematik der deutschen
Rechtschreibung einzuführen, muss stark bezweifelt werden.
- "Nachdenkwörter
dienen als Material zum Rechtschreiblernen und -üben und sind
ausdrücklich nicht dazu da, auswendig gelernt zu werden."
Ein
ziemlich banaler
Warnruf, der sich da
unter "Hinweise und Materialien für einen
systematischen Rechtschreibunterricht in der Primarstufe in NRW"
in
der 'Handreichung'
des Ministeriums für Schule und
Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen - findet. Die Erfahrungen mit den
Anwendungsvarianten solcher Vorgaben in
anderen Bundesländern mögen indes den Anlass dazu
gegeben haben.
Didaktische
Reflexionen für die Praxis
mit dem Grund-/Modell-/Rechtschreibwortschatz fehlen in dieser 'Handreichung' bzw.
verharren im
Nebulösen, wenn sie - wie hier - mit Hilfe von Sprachhülsen
aus dem
Repertoire der reformpädagogisch gegängelten
Grundschulpädagogik formuliert werden.
Von
den Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern der
Schreibanfängerinnen und Schreibanfänger wird in unmissverständlicher
Absicht
geradezu gefordert,
das Erlernen der Orthographie mit Impulsen, Hinweisen,
Anregungen,
Forscheraufgaben und vorrangig über den Einsatz von Materialien zu
lenken. In Wirklichkeit entscheiden
solche Vorgaben über
die Methodik des
Unterrichts:
Materialzentriert mit den Angeboten
zum 'selbstregulativen Lernen soll
er sein, die Lehrerin/der Lehrer
löst sich von den
traditionellen
Vorstellungen über das Unterrichten, den sog. 'didaktischen Mythen',
sie/er ist jetzt anwesend in der Rolle als
Lernbegleiterin/Lernbegleiter,
Moderatorin/Moderator,
Coach.
Prof.
Ossner, Germanist,
Sprachwissenschaftler und Sprachdidaktiker, weist immer wieder darauf
hin,
"dass auf die Wortauswahl am Anfang so viel Wert gelegt werden
muss, wie nur irgend möglich."
(Prof. Dr. Jakob Ossner:
Sprachdidaktik Deutsch, Paderborn
2006)
In einem weiteren
Postulat "sollen sie*
aber
mit Wörtern umgehen, die sie in die Systematik der deutschen
Rechtschreibung einführen." (ebd.) Genau
das, und noch mehr,
haben über
Jahrzehnte Wissenschaftler und erfahrene Schulmeister geleistet: eine
zielführende Wortauswahl zu treffen,
die geeignet
ist, in die Systematik der deutschen Rechtschreibung einzuführen und
darüber hinaus diese dann auch
noch in didaktisch-methodischer Hinsicht kenntnisreich und
konkret auf
einem didaktisch vereinfachten
Niveau in Fibeln
und Sprachbüchern zu vearbeiten. Anlauttabellen hätten
bei diesen Konzepten allerdings nur eine kontraproduktive Rolle spielen
können. In
Gebauers
'Handreichung', die neben dem Grundwortschatz weitere
Tabellen mit Wörtern des Grundwortschatzes - geordnet nach
unterschiedlichen Rechtschreibphänomenen - präsentiert, ist
nicht einmal
ansatzweise der Weg zu einer Einführung in die 'Systematik der
deutschen
Rechtschreibung' auszumachen. Auch
ist nicht zu erkennen, wie diese Vorgaben die Wende von der bisher
flächendeckend praktizierten
Systemlosigkeit des Unterrichtsgeschehens hin zu einem
wissenschaftsbasierten Unterricht nach plausiblen Konzepten
herbeiführen könnten. Das 'Arbeitsheft
zum Bremer
Rechtschreibschatz' (Stand
15.07.2019) zeigt
seit November 2019, wie Eltern sich die Arbeit mit einem
Modellwortschatz wohl vorzustellen haben: Obschon recht bunt und mit
netten Bildchen: Kein Frontalunterricht in seiner dümmsten Ausprägung
dürfte bei Grundschulkindern solche Wirkungen entfalten wie die
unterrichtliche Arbeit mit dem 'Arbeitsheft zum
Bremer
Rechtschreibschatz'.
Könnten wir es
Grundschullehrerinnen und Grundschullehrern
verdenken, wenn sie vor ministeriell angeordneten Überprüfungen der
schulischen Leistungen panikartig dann dennoch zu diesem - ebenso
entsetzlich falschen - Strohhalm greifen: den Rechtschreibwortschatz
einfach nur auswendig lernen zu lassen?
*die
Kinder/Anm. des Autors dieses Elternbriefs
(Handreichung
des Ministeriums für Schule und Bildung des
Landes Nordrhein-Westfalen, Juni 2019/
https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/grundwortschatz-nrw/grundwortschatz/didaktische-hinweise/index.html/
Stand: 15.07.1919)
Didaktische
Hinweise
Was
ist der Rechtschreibwortschatz?
Damit alle Kinder richtig schreiben lernen können, bedarf es eines
systematischen und anregenden Rechtschreibunterrichts, der
- Impulse
zur Erkundung der Schriftstruktur gibt,
- Bezüge
zum Gesprochenen herstellt,
- Sicherheit
beim Schreiben vermittelt und
- die
Erfahrung ermöglicht, dass das richtige Schreiben machbar, sinnvoll und
notwendig ist.
Dies
gilt auch für die erste Klasse,
denn schon
Schreibanfängerinnen und Schreibanfänger brauchen
- Hinweise
auf normgerechte Schreibungen und
- Anregungen,
dem System unserer Orthografie auf die Spur zu kommen,
damit sie
nicht denken, dass man schreibt wie man spricht.
Als
Grundlage für einen solchen systematischen Rechtschreibunterricht in
NRW wurde ein lehrgangsunabhängiger Rechtschreibwortschatz entwickelt.
[
.....]
Für den Anfangsunterricht
gerade in sehr
heterogenen Lerngruppen ist es sinnvoll, den Kindern zunächst eine
begrenzte Auswahl von Wörtern aus dem Grundwortschatz zum
Erforschen
und Üben anzubieten, z. B. in Form von
Bild-Wort-Karten
oder einem
Bild-Wörterbuch. Dies ergänzt Konzepte und
Materialien, die vorrangig
von der Analyse des Gesprochenen ausgehen, um den wichtigen Zugang
anhand geschriebener Wörter Strukturen unserer Rechtschreibung zu
verstehen (Schriftorientierung).
https://www.schulentwicklung.nrw.de/cms/grundwortschatz-nrw/grundwortschatz/didaktische-hinweise/index.html/
Stand: 15.07.1919
|
Unabhängig
von der Frage nach der Sinnhaftigkeit dieser Vorgabe: hier ein
Rückblick auf die Lehrpläne für Grundschulen in NRW aus dem Jahre 1969
(!):
"Die Kinder sollen richtig
schreiben und
sinnvoll anwenden können"
am Ende der
2. Klasse
|
1000
bis 1300 Wörter
|
am Ende der
3. Klasse
|
1700
bis 2100 Wörter
|
am Ende der
4. Klasse
|
2500
bis 3000 Wörter
|
Solche
Ziele waren natürlich
nur zu erreichen, weil damals Kindern ab ihrem ersten Lernjahr
nicht solche in die
Irre führende Denkprozeduren wie 'Schreib, wie du
sprichst!' eingedrillt wurden, die sich bei einer länger währenden
Praxis zu habituellen und schließlich nicht mehr
hinterfragten Handlungsprozeduren entwickeln.
Genau das warfen in
2007 die Professoren Eichler,
Röber-Siekmeyer, Thomé u. a. dem
Professorenpaar Brügelmann/Brinkmann vor: Sie gaukelten mit ihrer Lehre
den Kindern eine 1:1-Beziehung zwischen Lauten und Buchstaben vor und
- dass sich im Übrigen eine solche Vorstellung bei
Kindern bald verfestige.
(http://www2.agprim.uni-siegen.de/printbrue/
freiesschreiben.pdf/Stand
15.12.2014)
Die
ziemlich sinnfreie Antwort
des Professorenduos
Brügelmann/Brinkmann darauf: "Dagegen, dass der Unterricht so wirke,
spricht, dass die Kinder die Wörter immer wieder anders schreiben, also
neu konstruieren, und dabei die Zeichenvielfalt voll ausschöpfen."
(Prof.
Dr.
Hans Brügelmann/Prof. Dr. Erika Brinkmann: Rechtschreibung im
Anfangsunterricht. In: Grundschule aktuell, November 2006)
Dass
sich bei Kindern infolge dieser hier kritisierten Didaktik die
Vorstellung einer 1:1-Beziehung zwischen Lauten
und Buchstaben, insbesondere wenn sie begleitet wird vom ständigen
Daherbeten der Regel 'Schreib, wie du sprichst!', schon bald
verfestigt, erklärt sich aus den abgesicherten Lehren der
Hirnforschung. Denk-
und
Handlungsprozeduren, wie sie bei einem Unterricht
nach 'Schreib, wie du sprichst!', also nach 'Schreiben nach
Gehör' und mit der Anlauttabelle fortwährend eingeübt werden, haben
Kinder nämlich schon bald verinnerlicht, im Hirn
'verankert': Sie sind zu 'Routinen' geworden. Von
der Hirnforschung
haben wir das sichere Wissen: Einmal gelernte Routinen sind
kaum mehr
abzutrainieren: Der weltweit anerkannte Grundlagenforscher
der
Neurowissenschaft, Prof. Dr. Dr. Onur Güntürkün betont außerdem, dass
es nicht ratsam ist, erst etwas Leichtes, aber Falsches zu lernen. Der
bessere Weg ist, sofort das Richtige zu lernen, auch wenn dieser
Weg zunächst als schwieriger erscheint. (Prof. Dr. Dr. Onur
Güntürkün: Biologische Psychologie. Göttingen, Bern, Wien, Paris,
Oxford, Prag, Toronto, Cambridge (MA), Amsterdam, Kopenhagen, Stockholm
2012) Eltern und Lehrerinnen/Lehrer von
Abiturientinnen/Abiturienten berichteten 'Elternbriefe-online', dass
ihre
Kinder sich offenbar noch immer an diesem falschen Prinzip 'Schreib,
wie du sprichst! orientieren: Gelernt ist halt gelernt,
einmal gelernte Routinen sind eben kaum mehr abzutrainieren.
Bekannt
wurde das für den Erstunterricht in Sprache kreierte Konzept des
Schweizer Primarlehrers Jürgen Reichen (†) unter dem Namen 'Lesen durch
Schreiben' in den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts. Dass es
seinerzeit in der Fachwelt über diesen didaktikfernen und völlig
abstrusen Unterricht, der sich nichtsdestotrotz epidemisch an deutschen
Schulen verbreitete, nicht landesweite Entrüstung gab, bleibt
unverständlich. Wer sich auch nur ein wenig mit der wirren Lehre des
Jürgen Reichen befasst hat, weiß allerdings bald, dass sich der
Anfangsunterricht auch mehr als 40 Jahre später im Kern heute noch
immer an Reichen orientiert: Im Zentrum des Unterrichts stehen
weiterhin als
Leitmedium Anlauttabellen,
verbunden auch mit der naiven Annahme, in der gesprochenen Sprache
entspräche den Buchstaben der geschriebenen Sprache eine Folge
abgrenzbarer Einzellaute.
Einblicke in den Kern der Lehre des
Schweizer
Primarschullehrers Reichen:
-
"Das
wesentliche
Lernziel ist die Fähigkeit des Schülers, ein beliebiges Wort in seine
Lautabfolge zu zerlegen und danach phonetisch vollständig
aufzuschreiben. Zu diesem Zweck vermittelt der Lehrgang dem Schüler von
Anfang an Einsicht in das Prinzip unserer Lautschrift und stellt die
Hinführung zur Lautstruktur der Sprache in den Mittelpunkt der
Lernanstrengungen des Anfangsunterrichts. Für die praktische Arbeit
steht dem Schüler als zentrales Hilfsmittel eine Buchstabentabelle zur
Verfügung, aus welcher er die richtige Zuordnung eines jeden
Buchstabens zu seinem Lautgehalt ablesen kann. Mit dieser Hilfe kann er
prinzipiell alles schreiben, was er schreiben will. Es wird also von
Anfang an mit dem gesamten Laut- und Buchstabenbestand gearbeitet, so
dass der Wortschatz keinerlei Einschränkungen unterliegt."
-
"Die
Kinder im
Rahmen natürlicher Schreibanlässe viel Vernünftiges und Sinnvolles
schreiben lassen und auf traditionellen Rechtschreibunterricht
verzichten. Die Rechtschreibung kommt mit der Zeit von selbst. [...]
Dieser Prozess ist weitgehend 'naturwüchsig', d.h. er entzieht sich
didaktischer Beeinflussung. Der übliche Rechtschreibunterricht nutzt
nichts und schadet viel."
-
"Unsere
ganze
'Rechtschreiberei' ist doch bei Lichte betrachtet absurd."
(http://www.heinevetter-verlag.de/10/rs00.pdf/Stand
01.02.2011)
Es
gelang Prof. Dr. rer. soc. Hans Brügelmann ab
den frühen 80er Jahren des
letzten Jahrhunderts seinen
schreiborientierten
Ansatz,
den
'Spracherfahrungsansatz', wie er seine aus Reichens Konzept
entwickelte Lehre nun nannte, deutschlandweit zum Einsatz im
Anfangsunterricht zu verhelfen. Im Zentrum dieses Unterrichts stand
auch weiterhin die Anlauttabelle mit den damit verbundenen absurden
Prinzipien. Kritiklos knüpfte Brügelmann an die abwegigen
Vorstellungen Reichens an:
-
"Das
konstruierende
Schreiben von Wörtern erlaubt den Kindern, von Anfang an ihre eigenen
Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen und damit anderen
mitzuteilen. Auf diese Weise wird Schreiben frühzeitig als funktional
erlebt. Diese persönliche Bedeutsamkeit der Schrift stärkt die
Motivation zu schreiben."
(www.grundschulverband-bayern.de/files/stellungnahme_phon._schreiben.pdf/Stand
31.07.2013)
Entscheidend
verantwortlich für die Neuorientierung des Anfangsunterrichts im Fach
Sprache waren durchweg sprachdidaktische Laien, nicht selten ohne
umfassende schulpraktische Erfahrung, ja sogar ohne Ausbildung für
irgendein Lehramt. Vor dem Hintergrund ökonomischer Interessen gelang
es ihnen, über ausgeklügelte Netzwerke, mit linksideologisch
angepasster Rhetorik sowie mit blumigen
reformpädagogischen Heilsversprechungen und realitätsfernen
Schwärmereien von dem in den Kindern schlummernden unerschöpflichen
Selbstentfaltungs-, Selbststeuerungs- und Selbstbestimmungspotential
ihre abenteuerliche und das Kindeswohl gefährdende Pseudopädagogik in
die Schulen hineinzumanipulieren. Über inzwischen Jahrzehnte hinweg
wurde/wird altes, aber keineswegs veraltetes schulpädagogisches
Erfahrungswissen bedenkenlos entsorgt, wird in entscheidenden Fragen
zum schulischen Unterricht eine seriöse empirische Unterrichtsforschung
geradezu verhindert, werden disponible empirische Belege aus der neuen
und neuesten Forschung beispielsweise aus der Linguistik, der
Sprachdidaktik, der Hirnforschung, der Kognitionspsychologie, ...
ignoriert oder zurückgewiesen.
Im
Rahmen des inzwischen heute durchweg praktizierten Offenen
Unterrichts* erhielt die Anlauttabelle einen zentralen
Stellenwert:
Schulanfänger sollen, den Ideen Reichens und Brügelmanns folgend, sich
mit Hilfe der Anlauttabelle den Weg in die Schrift
selbstbestimmt/selbstorganisiert erarbeiten. Überall da, wo nach dieser
Didaktik auch weiterhin unterrichtet wird, handelt es sich ausnahmslos
um Derivate der Reichen-Erfindung 'Lesen durch Schreiben', heute eher
bekannt unter dem Terminus 'Schreiben nach Gehör'.
*Offener
Unterricht läuft ab nach den
Maßgaben: selbstregulatives, eigenverantwortliches Lernen; der
'Unterricht' stützt sich auf die bereitgestellten Materialien, läuft
'materialzentriert' ab; "Unterricht ohne zu
unterrichten"/"Unterricht
ohne Belehrung": die Lehrerin/der Lehrer löst sich von den
traditionellen
Vorstellungen über das Unterrichten, den sog. 'didaktischen Mythen',
sie/er ist anwesend in der Rolle als Lernbegleiterin/Lernbegleiter,
Moderatorin/Moderator,
Coach.
III.
'Schreiben nach Gehör':
Wie Eltern erneut
getäuscht werden
Eine neue Legende:
«Nach
dieser 'Methode
Reichen' wird nicht
mehr in Reinform gelehrt»
Seit
einigen Jahren versuchen Grundschulpädagogen und gewisse schulpolitisch
Verantwortliche verbal geschickt den Verdacht aus dem Wege zu räumen,
irgendwer unterrichte noch immer nach dem in arge Kritik geratenen
Reichen-Konzept 'Lesen durch Schreiben' ('Schreiben nach Gehör') bzw.
nach der 'Methode Reichen'. In Statements für die Presse wird
ungezählte Male versichert, die 'Methode Reichen' ('Schreiben nach
Gehör') werde so gut wie gar nicht mehr in Reinform gelehrt, man
unterrichte nach dem 'Spracherfahrungsansatz', nach einem
'schreiborientierten Ansatz' oder nach einem 'Methodenmix'. Kritische
Eltern, die genau hingeschaut haben, fühlen sich getäuscht: Die
Unterschiede zur Reichen-Erfindung 'Lesen durch Schreiben'
sind in
Wirklichkeit marginal. Eltern, denen die Lehrerinnen/Lehrer
ihrer
Kinder versichern, sie unterrichteten nicht nach der Reichen-Methode,
sondern z. B. nach einem 'Methodenmix', sollten
alarmiert sein! Immer
dann, wenn über Wochen,
Monate oder sogar Jahre hinweg Anlauttabellen und
selbstbestimmte/selbstorganisierte Schülerarbeit
einen zentralen
Stellenwert haben - wie z. B. auch beim sog. 'Freien
Schreiben' mit der Anlauttabelle -, handelt es sich
um Derivate der
Reichen-Erfindung
'Lesen durch Schreiben'/'Schreiben nach Gehör' - mit den ebenso
verheerenden
Folgen des Unterrichts nach Reichens/Brügelmanns Lehre.
Methodenmix: Anlauttabellen
als zentrales Unterrichtsmedium
sind immer dabei, darüber hinaus
dominiert
den
modernen
Schriftspracherwerbsunterricht unter dem irreführenden
Terminus 'Methodenmix'
ein
Wust
von
vorgefertigten Arbeitsblättern, Arbeitsheften und
Abschreibvorlagen aus dem reichhaltigen
Lernmittelangebot, ein Sammelsurium von
Raubkopien aus anderen Lehrwerken (auch Fibeln) sowie Karteikästen mit
bunten Karten
und Kärtchen
-
mit einer kruden
Vermischung von
Angeboten zum 'selbstregulativen Lernen', die nicht miteinander
kompatibel sind. Aufgehübscht haben die Herausgeber der
Lesen-durch-Schreiben-Lehrwerke inzwischen ihre Materialsammlungen mit
Häppchen
aus den Aufgabenstellungen aus durchaus fundierten Lese- und
Schreiblehrkonzepten, die jedoch wissenschaftsorientiert und somit nach
völlig anderen
fachlichen und didaktischen Gesichtspunkten entwickelt wurden.
Als Vorlagen dienen dazu:
-
die
analytisch-synthetischen
Lese- und Schreiblehrkonzepte:
seit Jahrzehnten in BRD und
DDR erfolgreich praktizierte Ansätze, in der Expertise "Erfolgreiche
Sprachförderung …" ausdrücklich empfohlen von Prof. Dr. Renate Valtin
(Präsidentin der Deutschen Gesellschaft für Lesen und Schreiben),
Prof. Dr. Dr. h.c. Konrad
Ehlich, Dr. Beate Lütke et al. .
(http://www.berlin.de/imperia/md/content/sen-bildung/schulqualitaet/expertise
_sprachfoerderung. pdf /Stand 30.05.2014)
-
die
morphembasierten
Schreiblehrkonzepte: besonders erfolgreich im
Einsatz bei Kindern mit Problemen beim Schriftspracherwerb
(Prof. M.
Galliker: Sprachpsychologie. Tübingen 2013),
-
die
Silbenkonzepte: besonders erfolgreich auch im
Einsatz bei Kindern mit Problemen beim Schriftspracherwerb,
insbesondere sehr gut geeignet für Migrantenkinder mit geringen
Sprachkenntnissen.
Diese
Konzepte können sich auf wissenschaftlich abgesicherte
sprachdidaktische Ansätze berufen. Versuche, aus den darauf basierenden
Lehrwerken besonders attraktive Arbeitsaufgaben und -formate für die
'Stillarbeit' irgendwo und irgendwie in dem systemlosen Unterricht nach
den Lesen-durch-Schreiben-Versionen unterzubringen, darf man durchaus
als Alibi-Veranstaltungen für solides, wissenschaftsorientiertes
Unterrichten sehen. Werden Unterrichtselemente aus systembasierten
Konzepten in die Systemlosigkeit des Unterrichts nach den Prinzipien
des Schreibenlernens 'nach Gehör' u. mit der Anlauttabelle
scheibchenweise eingefügt, finden sie dort keine Bezugsebene und
bleiben völlig wirkungslos, als Beispiel genannt seien hier die
eingestreuten Übungen zum 'Silbenschwingen'. Auf die Verwirrung
stiftenden Wirkungen bei
Kindern, die ohnehin bereits per Unterricht ohne System in die Irre
geführt werden, muss hier nicht weiter eingegangen werden.
Zu
den wohl am häufigsten im sog. 'Methodenmix' angebotenen Aufgaben
gehört das Abschreiben. Im Zusammenhang mit dem Unterricht nach den
Lesen-durch-Schreiben-Versionen werden solche Arbeitsaufgaben
regelmäßig und über die Maßen oft eingesetzt. 'Abschreibkompetenz' ist
jedoch nicht gleich Rechtschreibkompetenz: Die Deutsch-Didaktikerinnen
Ingrid Naegele/Prof. Dr. Renate Valtin mahnten schon vor Jahren, "dass
viele schwache SchreiberInnen erfolgreich abschreiben können, ihnen
aber diese Übungsform beim Erwerb von Rechtschreibregeln nicht viel
nützt.".(in:
LRS
in den Klassen 1-10. Handbuch der Lese- und
Rechtschreibschwierigkeiten. Band 2: Schulische Förderung und
außerschulische Therapien. Weinheim/Basel 2000)
Ingrid M. Naegele an anderer
Stelle: "Da viele SchülerInnen mit Rechtschreibproblemen vorzüglich
abschreiben können, nützt ihnen diese Übungsform nichts."
(in:
Konkrete Hilfe statt Kritik und unbrauchbarer Ratschläge, PÄDAGOGIK,
Heft 1/01)
Prof.
Dr. Sandra Deneke fand mit einer Studie heraus, dass selbst für Schüler
mit unterdurchschnittlicher Intelligenz das fehlerfreie Abschreiben
kein Problem sein muss. (Prof. Dr. Sandra Deneke:
Konstruktionen über Schriftsprache und Schriftsprachlernen. Hannover
2006 - https://d-nb.info/981904149/34)
Hier zwei Beispiele aus
Gutachten zum schriftsprachlichen Leistungsstand:
-
"Ersin:
Ersins Leistungen im Lesen, Schreiben und Rechtschreiben werden laut
Gutachten als unterdurchschnittlich bezeichnet. Stärken sind im
Abschreiben, einer sauberen Handschrift sowie dem Auswendiglernen von
Gedichten zu verzeichnen." (ebd.)
-
"Nicolas:
Große Schwierigkeiten hat er im sinnentnehmenden Lesen und Schreiben
von Texten. Abschreiben dagegen gelingt ihm. Er hat eine ordentliche
Handschrift und kann Gedichte recht genau wiedergeben."
(ebd.)
Über
Jahrzehnte hinweg galt
in der Deutschdidaktik das Abschreiben als eine Übungsform neben vielen
anderen. In nahezu allen Bundesländern gehört inzwischen in den
Lehrplänen für Grundschulen das Abschreibenkönnen - bis ans Ende der 4.
Klasse - zu den wichtigsten unter dem Schwerpunkt "Richtig schreiben"
genannten Kompetenzen. Das führt seit Langem dazu, dass bezüglich des
Rechtschreibunterrichts Fluten von Abschreibtexten das
Unterrichtsgeschehen bestimmen und fehlerfrei abgeschriebene Texte als
Indikatoren für gute Rechtschreibleistungen gehalten werden. Auch
dieser Aspekt gehört wohl zur Rechtschreibkatastrophe: Das
Abschreibenkönnen schon für eine besondere Rechtschreibleistung zu
halten.
IV.
Schlecht
gerüstet für das Lernen mit Anlauttabellen:
Erstklässler
heute
Überall auf der Welt, wo es Schulen
gibt, beginnen
Kinder zwischen dem fünften und siebten Lebensjahr damit, das Lesen und
Schreiben zu erlernen. Um diese Zeit sind die neurophysiologischen und
sensomotorischen Grundlagen für das Sprechen hinreichend ausgeformt,
sie bilden bei hinreichender Ausreifung das sichere Fundament für das
Erlernen des Lesens und Schreibens. Kinder beherrschen jetzt
auch die ihrem Alter entsprechende gesprochene Muttersprache, sowohl
auf der Laut-, der Wort- als auch auf der Satzebene. Solche Befunde
beschreiben allerdings inzwischen eher die
Forschungsergebnisse aus
vergangenen Zeiten.
Die heutige Forschung hat indes
Anlass, die großen Defizite in den
Sprachwahrnehmungsleistungen und lautsprachlichen Grundfertigkeiten bei
Grundschulkindern zu fokussieren, sind sie doch in nicht wenigen Fällen
mitverantwortlich für die Verschärfung schulischer Probleme. Wie
schon andere
Fachwissenschaftler zuvor wiesen auch Prof. Dr. Dr. Helmut Breuer und
Dr. Maria Weuffen (†) bereits vor Jahren darauf hin, dass
Kindern, die zum Schulanfang die Lautsprache sicher beherrschten, das
Lesen- und Schreibenlernen leichter fiel als solchen, deren
lautsprachliche Grundfertigkeiten, aus welchen
Gründen auch immer, nur schwach
ausgeprägt waren. (Prof. Dr. Dr. Helmut Breuer und Dr. Maria
Weuffen (†): Lernschwierigkeiten am Schulanfang. Weinheim und Basel.
Dezember 2006) Langjährige
interdisziplinäre Untersuchungen, in die mehr als 10.000 Kinder vom 4.
bis zum 17. Lebensjahr einbezogen waren, zeigten auch,
dass der Grad der
Entwicklung in den sprachbezogenen Wahrnehmungsbereichen
entscheidende
Bedeutung für den Prozess des Schreiben- und Lesenlernens hat.
Prof.
Helmut Breuer/Dr.
Maria Weuffen wiesen übrigens mit ihren Arbeiten auch nach, dass es
sogar einen engen Zusammenhang zwischen der lautsprachlichen Kompetenz
und der Entwicklung ihrer Schullaufbahn gibt.
Sie belegten mit ihren
Forschungsarbeiten auch,
dass
gewisse Sprachwahrnehmungsleistungen (in Kap. VI.
näher erläutert) wie
-
die
optisch-graphomotorische
Differenzierungsfähigkeit,
-
die
phonematisch-akustische
Differenzierungsfähigkeit,
-
die
kinästhetisch-artikulatorische
Differenzierungsfähigkeit,
-
die
melodisch-intonatorische
Differenzierungsfähigkeit,
-
die
rhythmisch-strukturierende Differenzierungsfähigkeit
sowie die lautsprachlichen Grundfertigkeiten
wie
-
die
Artikulationssicherheit,
-
der Umfang/die Qualität
des Wortschatzes,
-
das Sprachgedächtnis,
-
das
Sprachverstehen
nicht
nur von großer Bedeutung für das Schreiben- und Lesenlernen sind,
sondern ebenso für die Entwicklung mathematischer
Grundfertigkeiten.
Wenn
es um Defizite in
den
Sprachwahrnehmungsleistungen und lautsprachlichen Grundfertigkeiten
geht, darf nicht unerwähnt bleiben, dass in besonderem
Maße Kinder mit Migrationshintergrund betroffen sein können -
in welchem Ausmaß, ist wohl eher unbekannt. Für nahezu alle dieser
Kinder mit Migrationshintergrund ergeben sich oft unterschätzte
Schwierigkeiten beim Erlernen der gesprochenen und geschriebenen
deutschen Sprache. So ist zu bedenken, dass sie in ihren jeweiligen
Muttersprachen beim Sprechen Laute produzieren, die wir in der
deutschen Sprache nicht kennen. Auf der anderen Seite erzeugen wir beim
Sprechen Laute, die ihnen völlig fremd sind und deren Nachahmung ihnen
nur mit größten Anstrengungen und nach langem Üben gelingt.
Für
viele Kinder aus dem nicht-europäischen Ausland sind die
Herausforderungen erheblich viel größer. Aufgewachsen sind sie,
wie beispielsweise in den Sprachräumen des Arabischen, mit völlig
anderen, den Mitteleuropäern geradezu fremden sprachlichen Lauten. Auch
für uns wäre es eine enorm große Herausforderung, unsere Sprechorgane,
also die Atmungsorgane, Stimmerzeugungsorgane und Lautformungsorgane,
so umzuorganisieren, um die im Arabischen gesprochenen zahlreichen
Gaumen- und Kehllaute hervorbringen zu können, mit deren korrekter
Formung es uns vielleicht auch gelänge, den kehligen, rauen
Lauteindruck dieser Sprache zu erreichen.
Ganz unabhängig von der Frage nach der
Sinnhaftigkeit des Einsatzes von Anlauttabellen im Anfangsunterricht,
wäre es vor deren erstem Einsatz unabdingbar erforderlich, gewissen -
oft völlig nicht bedachten - Voraussetzungen prioritäre Beachtung
zu schenken: gemeint sind die
-
Schulung
der lautsprachlichen
Grundfertigkeiten,
- Schulung
der visuellen Wahrnehmung und der Fähigkeit, Buchstabenformen sicher
wiederzuerkennen,
-
Schulung
der akustischen Wahrnehmung in der Erkennung von Lauten und
Lautkombinationen,
-
Umorganisation
der Sprechorgane bei Kindern aus Migrantenfamilien, d. h. den Kindern
zu helfen, ihre Atmungs-, Stimmerzeugungs- und Lautformungsorgane so
umzuorganisieren, dass sie die fremde Sprache möglichst
lautrein sprechen lernen können.
Vor
dem Einsatz von
Anlauttabellen müssten folglich Auge und Ohr sowie die Sprechorgane
sorgsam geschult werden. Es ist ganz wichtig, dass sich die Kinder
aus
Migrantenfamilien an den Klang und die Aussprache
der ihnen fremden Sprache gewöhnen, sie sich die richtige Aussprache
von Wörtern einprägen, diese nachsprechen und sich mit der normalen
Sprachgeschwindigkeit vertraut machen.
Darin
sind sich Fachwissenschaftler,
die mit dem Schriftspracherwerb von Schulanfängern
befasst sind, einig: Maßgebliche,
wenn auch nicht alleinig ausschlaggebende
Bedeutung,
hat die
phonologische Bewusstheit für den
Schriftspracherwerb insgesamt und
für die Entstehung von Lese- und Rechtschreibproblemen im Besonderen.
Zu
phonologischer
Bewusstheit im engeren Sinn finden
Kinder
nur in der Auseinandersetzung mit dem alphabetischen
Schriftsystem. Sprachwahrnehmungsleistungen
sowie lautsprachliche Grundfertigkeiten ebnen dabei den Weg in
die phonologische
Bewusstheit.
Unter phonologischer
Bewusstheit
wird
verstanden
die Fähigkeit,
Segmente der gesprochenen Sprache zu erkennen und zu manipulieren.
Dabei wird unterschieden in phonologische
Bewusstheit im weiteren Sinn
(Hinführung
im Kindergarten)
und in phonologische
Bewusstheit im engeren Sinn (Aufgabe
der Grundschule):
die
phonologische Bewusstheit im weiteren Sinn:
z. B.
einfache
phonologische Fähigkeiten wie die Reimerkennung oder die
Gliederung von Wörtern in Silben,
die
phonologische Bewusstheit im engeren Sinn:
z. B.
gefestigte Einsicht in die lautliche
Struktur der Sprache, z. B. das Erkennen
der Anfangs-, Binnen und Endlaute eines Wortes, das Erfassen der
Lautanzahl in Wörtern, Erkennen eines definierten Lautes in
einem
vorgegebenen Wort, isoliertes
Aussprechen eines bestimmten Lautes am Anfang/in der Mitte/am Ende
eines Wortes, Artikulation der Einzellaute eines Wortes in der
richtigen Reihenfolge, die Synthese von isoliert
vorgesprochenen Lauten (z. B. für das Wort 'Frosch': /f/,
/r/, /o/, /sch/), ..... .
(Mehr dazu in: Elke Goldbrunner:
Phonologische Bewusstheit im Rahmen der Sprachentwicklung. Wien 2006)
Ohne
Ausnahme ist man in der Forschung davon überzeugt, dass die
phonologische Bewusstheit eine wichtige Voraussetzung für ein
erfolgreiches Lesen- und Schreibenlernen ist. Die
unterschiedlichsten Forschungsrichtungen liefern indes keineswegs eine
einheitliche Antwort auf die Frage, wie sich denn nun das Konstrukt 'Phonologische
Bewusstheit'
angemessen definieren ließe. Und in nicht unerheblichen Ausmaß
kontrovers sind auch die Antworten auf die Frage, welcher sprachlichen
Voraussetzungen und sonstigen Einflüsse es zu
einer positiven Entwicklung der 'Phonologischen
Bewusstheit' bedarf. Weitgehend Einigung besteht in der
Annahme, dass
die Entwicklung der
phonologischen Bewusstheit im engeren Sinn einhergeht mit dem
fortschreitenden Prozess des Schriftspracherwerbs:
"Die vielfältigen
Analyse- und
Syntheseübungen im Erstlese- und Erstschreibunterricht
tragen zur Bewusstwerdung lautlicher Strukturen bei Kindern
bei. Auch hier wird Sprachbewusstheit eng an die Explikation
sprachlicher Phänomene gekoppelt." (ebd.)
Man
spricht daher auch von einer reziproken Beziehung
zwischen 'Phonologischen
Bewusstheit' und Schriftspracherwerb. (ebd.)
Die
Frage, ob monate-, oft sogar jahrelanges
Herumprobieren mit der Anlauttabelle und materialzentrierter
Unterricht mit
einer überbordenden Fülle von vorgefertigten Arbeitsblättern,
Arbeitsheften
und Abschreibvorlagen, mit einem Sammelsurium aus
bunten Karten und Kärtchen
zu einer Verbesserung der Sprachwahrnehmungsleistungen und der
lautsprachlichen Grundfertigkeiten führen könnte, ob sich über diesen
Weg 'selbstgesteuert', 'erkundend',
'erforschend',
'erprobend' und 'entdeckend'
auch phonologische
Bewusstheit entwickeln könnte, wird wird in der tatsächlich auch
existierenden Fachwissenschaft ganz offenbar nicht für
diskussionswürdig gehalten.
'Phonologische
Bewusstheit und Schriftspracherwerb/Phonologische
Fähigkeiten im Anfangsunterricht': Dieses
Forschungsprojekt “Schwerpunkt
Sprache - Das Netzwerk für Gehirnforschung und Schule in Hessen"
war ein Gemeinschaftsprojekt
des Hessischen
Kultusministeriums, der
Frankfurter Albert-und-Barbara-von-Metzler-Stiftung und des
Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) der
Universität Ulm.
(2006/2010) In diesem Projekt ging es hinsichtlich der
Entwicklung phonologischer Bewusstheit um die
kompensatorische Wirksamkeit von Trainingsprogrammen bei
Kindern, die entweder
oder
-
mit dem zentralen
Werkzeug 'Anlauttabelle'
in
einem "entwicklungsorientierten" Unterricht, einer
methodischen Variante des Spracherfahrungsansatzes,
unterrichtet
worden waren.
Die
Ergebnisse hätte für all diejenigen, die ihren Anfangsunterricht mit
einer Anlauttabelle als dem zentralen Arbeitsmittel bestreiten,
enttäuschender nicht sein können. In der Tat waren diese bemerkenswert,
jedoch - nicht überraschend - höchst plausibel. Dr.
phil. Hubertus
Hatz (Pädagogische
Hochschule Heidelberg, Mitarbeiter
des
Projektteams) beschreibt
in
seiner Dissertation die Erkenntnisse aus dieser Forschungsarbeit.
(in:
Dr.
Hubertus Hatz: Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb.
Heidelberg 2015)/Stand 02.02.2012)
Schülerinnen/Schüler,
die nach dem Spracherfahrungsansatz, also im offen gestalteten
Unterricht mit Anlauttabelle, unterrichtet worden waren*,
profitierten
von einem zusätzlichen Trainingsprogramm zur Entwicklung der
'phonologischen
Bewusstheit', nicht
jedoch die fibelunterrichteten
Kinder:
Letztere waren hinsichtlich
der
Entwicklung phonologischer Bewusstheit durch
ihren systematischen
und
lehrgangsorientierten Schriftspracherwerbsunterrichts nicht den
ungünstigen Rahmenbedingungen
des Unterrichts nach dem Spracherfahrungsansatz (und mit Anlauttabelle)
ausgesetzt, die zu
den Defiziten in der
Entwicklung phonologischer Bewusstheit geführt
hatten:
"Die
Lehrkräfte der SEA-Klassen*
bejahen zudem zu 95.5 % (Frage 32), dass die Schüler sich die
Graphem-Phonem- Zuordnungen vor allem über die eigenaktive Arbeit mit
der Anlauttabelle erschließen."
(ebd.)
*SEA-Klassen = Klassen, die
nach dem Spracherfahrungsansatz, also mit der Anlauttabelle als dem
zentralen Unterrichtsmedium unterrichtet wurden
"Dass für
die Schüler im Fibellehrgang keine zusätzlichen
Leistungssteigerungen in den Maßen
der phonologischen Bewusstheit zu erzielen war, verweist auf
die
dbzgl. Entwicklungsimpulse, die
bereits von einem systematischen und lehrgangsorientierten
Schriftspracherwerbsunterrichts
ausgehen. Die
Befunde zur kompensatorischen Wirksamkeit verweisen zugleich auf eher
ungünstige Rahmenbedingungen
des Unterrichts im Spracherfahrungsansatz hinsichtlich der
Entwicklung phonologischer Bewusstheit. Diesbezüglich
geringere
Entwicklungsimpulse konnten
auch in der Untersuchung von Einsiedler et al. (2002)
für ein sich
an den Grundsätzen des Spracherfahrungsansatzes orientierenden
unterrichtliches Vorgehen nachgewiesen werden." (ebd.)
Fazit: Die Studie des Hessischen
Kultusministeriums, der
Frankfurter Albert-und-Barbara-von-Metzler-Stiftung und des
Transferzentrums für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL) der
Universität Ulm belegt
die "ungünstigen Rahmenbedingungen
des Unterrichts im Spracherfahrungsansatz hinsichtlich der
Entwicklung phonologischer Bewusstheit".
(ebd.)
"Gleichwohl können
Defizite in der phonologischen Bewusstheit aber auch durch externe
Faktoren kompensiert werden. Eine lehrgangsorientierte
Schriftsprachinstruktion mit synthetischen Anteilen und einer
expliziten
Unterweisung in die systematischen Beziehungen zwischen Phonemen und
Graphemen und deren Anwendung beim Lesen und Schreiben wirken sich
dbzgl. insbesondere für Risikokinder förderlich aus. Die
Befunde der
vorliegenden Untersuchung verweisen auf eine differenzielle Wirksamkeit
der Trainingsmaßnahmen in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden
methodisch-didaktischen Unterrichtskonzept. Darüber
hinaus wird
deutlich, dass der methodisch-didaktischen Gestaltung des
Schriftspracherwerbsunterrichts eine nicht außer Acht zu lassende große
präventive Bedeutung zukommt." (ebd.)
Selbst
wenn diese Schülerinnen/Schüler,
die nach dem Spracherfahrungsansatz, also im offen gestalteten
Unterricht mit Anlauttabelle, unterrichtet
worden waren, ein zusätzliches Trainingsprogramm
zur Entwicklung der 'phonologischen Bewusstheit' zu
absolvieren hatten, führte diese Maßnahme bei ihnen zu
keiner signifikanten Steigerung in den
Rechtschreibleistungen. Hier
zeigte sich
ein weiteres Mal: Wesentlich für den Lernerfolg von Schreibnovizen ist
eine lehrgangsorientierte
Schriftsprachinstruktion mit synthetischen Anteilen und einer
expliziten
Unterweisung in die systematischen Beziehungen zwischen Phonemen und
Graphemen und deren Anwendung beim Lesen und Schreiben.
Dazu weitere
Ergebnisse/Bewertungen (aus
Dr.
Hubertus Hatz: Phonologische Bewusstheit und Schriftspracherwerb):
"Eine
Modifikation des Gesamttrainings unter Ausweitung
entsprechender
rechtschriftlicher Übungsinhalte ist notwendig, um
deutlichere Effekte
erzielen zu können. Die Untersuchungsbefunde
liefern zudem Hinweise
darauf, dass
ein kombiniertes
Trainings auf der Grundlage
eines höheren
Anteils an rechtschriftlichen Übungsinhalten primär kompensatorisch für
die Schüler im Spracherfahrungsansatz (insbesondere für die
leistungsschwächsten Schüler) wirkt."
(ebd.)
"Die größten Unterschiede
in
den Rechtschreibleistungen kommen durch das methodisch-didaktische
Unterrichtskonzept zustande: Die mittels Fibellehrgang
unterrichteten
Schüler erreichen bessere Rechtschreibleistungen am Ende des ersten
Schuljahres als die Schüler im Spracherfahrungsansatz."
(ebd.)
"Angesichts
der geringeren Rechtschreibleistungen, die die Schüler im
Spracherfahrungsansatz im Vergleich zu jenen im Fibellehrgang über
alle
Untersuchungsgruppen hinweg zeigten (und des höheren Anteils
an
Schülern mit unterdurchschnittlichen Rechtschreibleistungen), scheinen
rechtschriftliche Übungsinhalte, wie
sie dem kombinierten Trainings
zugrunde lagen, eine notwendige Ergänzung im didaktisch-methodischen
Konzept des Spracherfahrungsansatzes darzustellen. [.....] In diesem
Zusammenhang sei auf die Befunde der Hamburger PLUS-Studie
(May, 2001)
hinsichtlich der Auswirkungen freier oder
vorgegebener Schreibaufgaben
im
Erstklassunterricht hingewiesen (s. Kap. 3.1.2).
Die Analysen
belegen eine negative Korrelation zwischen der Dauer des freien
Schreibens und dem schriftsprachlichen Lernerfolg, die bei
lernschwächeren Schülern besonders hoch ausfiel. Für das
zeitliche
Ausmaß vorgegebener Schreibaufgaben ergaben sich
hingegen positive
Korrelationen sowohl in Zusammenhang mit dem Rechtschreiben als auch
mit dem Textschreiben. Dieser Befund stützt
zusätzlich die Bedeutung
angeleiteter und vorgegebener Schreibaufgaben (im Sinne direkter
Instruktion) im ersten Schuljahr."
(ebd.)
"Die
Auswertungen in Abhängigkeit vom zugrunde liegenden methodisch
didaktischen Unterrichtskonzept (Fibelklassen vs. Klassen mit
Spracherfahrungsansatz (SEA)* belegen, dass
(ungeachtet der Einteilung
in die unterschiedlichen Untersuchungsgruppen) die Schüler, die im
Schriftspracherwerb mittels Fibellehrgang unterrichtet wurden, Ende der
ersten Klasse bedeutsam höhere Rechtschreibleistungen aufwiesen im
Vergleich zu den Schülern, die Lesen und Schreiben nach dem
Spracherfahrungsansatzes lernten."
(ebd.)
*SEA-Klassen = Klassen,
die
nach dem Spracherfahrungsansatz, also mit der Anlauttabelle als dem
zentralen Unterrichtsmedium unterrichtet wurden
**Die Interventionsgruppe
(INT-Gesamt)
= Gruppe
mit Training zur phonologischen Bewusstheit
***VG =
untrainierte Gruppe
Erika
Brinkmann, mit
Professur (em.)
für deutsche
Sprache und Literatur und ihre Didaktik, ihr
Lebenspartner Hans Brügelmann,
Professor
(em.)
für
Erziehungswissenschaft mit dem Schwerpunkt Grundschulpädagogik und
-didaktik, Erfinder des Spracherfahrungsansatzes,
sowie der 'LERNBUCHVERLAG' sind mit einem Wust von
Lehr-/Lernmaterialien derzeit auf dem deutschen
Lehr-/Lernmittelmarkt wohl die erfolgreichsten
Geschäftspartner bei der Verbreitung des
Spracherfahrungsansatzes:
,„Zentrales
Werkzeug im offenen Schriftspracherwerb ist die
Anlauttabelle.
Für jeden Buchstaben des Alphabets zeigt sie
ein
Bild für ein Lebewesen oder Ding, dessen Bezeichnung
mit
diesem Laut beginnt. Mithilfe der Anlauttabelle können
sich
die Kinder die Lautwerte der einzelnen Buchstaben
erschließen
und die gesprochene Sprache in Schrift „übersetzen“.
Sie
erfahren dabei nach und nach, wie Sprache
verschriftet
wird.“
Pädagogik in der
Knechtschaft wirtschaftlicher Interessen
"Selbstständig
Lesen und Schreiben lernen im Anfangsunterricht"
Abb.
6
Auch
dies darf nicht
unerwähnt bleiben:
Erstklässler werden inzwischen nahezu flächendeckend in Deutschland mit
der Grundschrift in ihre Schreiblern-/Leselernprozesse geführt. Die
Grundschrift ist eine Druckschrift, die 2011 im Auftrag des
Grundschulverbands entwickelt wurde. Grundschullehrerinnen und -lehrer
sowie Eltern werden dahingehend belehrt, die Erfindung der Grundschrift
orientiere sich an der Gemischt-Antiqua, mit deren Buchstaben die
Kinder ohnehin heutzutage zu Hause sowie bei allen möglichen
alltäglichen Gelegenheiten ständig konfrontiert werden: Sie allesamt
seien durchaus vertraut mit
den Buchstaben der Gemischt-Antiqua. Angesichts der
Tatsache, dass es vielerorts erste Klassen mit einem Ausländeranteil
von über 80% gibt, oft mit Kindern aus außereuropäischen Regionen,
deren Eltern kaum oder überhaupt nicht alphabetisiert sind, ist
diese Aussage über den Lern-/Wissensstand der Kinder bei ihrer
Einschulung wohl kaum belastbar. Für viele dieser Kinder gilt: Die
Stunde der Einschulung ist eine Stunde Null.
Abb.
8
Texte in afghanischer, arabischer, kyrillischer, eritreischer und
persischer Schrift
Abb.
9
V.
Wie Kinder mit der Anlauttabelle lernen sollen
Die Abläufe
beim
Einsatz von Anlauttabellen der Schreiben-nach-Gehör-Versionen sind
immer gleich, gezeigt wird das unterrichtliche Vorgehen hier am
Beispiel der 'Rechtschreibwerkstatt' des Norbert Sommer-Stumpenhorst.
Abb. 10
(http://rechtschreibwerkstatt.de/rsl/me/antab/html/einfuehrung.html/Stand
09.04.2016/Screenshot 09.04.2016 )
Hier soll einmal deutlich
gemacht werden, was Kinder leisten müssen, wenn sie mit Hilfe
der weiter unten in Abb. 14 gezeigten
Anlauttabelle arbeiten sollen.
Zu bedenken ist, dass im
Gegensatz zu den gerade erst Eingeschulten,
-
den
Lese- und Schreibkundigen die Schreibung aller Buchstaben geläufig ist,
-
sie
zur Arbeit mit der Anlauttabelle auch das Alphabet mit der vereinbarten
Reihenfolge der Buchstaben beherrschen,
-
sie
firm sind in der deutschen Rechtschreibung und folglich die
Schreibungen schon vorab kennen.
Diese Aufgabe als Beispiel:
Mit Hilfe der
Anlauttabelle in Abb. 14 ist der Satz "Die
Hexe Wackelzahn putzt mit uns die Zähne." nach den Prinzipien
des 'Schreibens nach Gehör' Buchstabe für Buchstabe, Wort für Wort in
Schriftsprache umzusetzen. Verfahren wird in diesem Beispiel nach den
Vorgaben
Sommer-Stumpenhorsts.
Abb. 11
Nach diesem Modus sollen die Kinder
fortfahren,
bis alle Laute eines jeden Wortes abgearbeitet sind.
Wort 1:
<die>
Abb. 12
Wort 2:
<hexe>
Abb.
13
Ergebnisse
für die
beiden ersten Wörter (die Hexe) :
di hex - di häx - di heks - di häks -
die hegs -
die hägs
Um den Satz zum Ende zu führen, wäre
fortzufahren
mit den Wörtern
"Wackelzahn
putzt mit uns die Zähne." Man
erinne sich an
Reichens und Brügelmanns Lehre:
-
"Das
konstruierende Schreiben von Wörtern erlaubt den Kindern, von Anfang an
ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen und damit
anderen mitzuteilen. Auf diese Weise wird Schreiben frühzeitig als
funktional erlebt. Diese persönliche Bedeutsamkeit der Schrift stärkt
die Motivation zu schreiben."
Dieser
Schreibversuch von Kindern könnte so enden:
di - häx¤ -
wak¤lzan - puzt
- mit - un¤ - di - zen¤
di - häx - waklzan
- puzt
- mit - un
- di - zen
¤
Dieses
Zeichen steht für Buchstaben (Schwa-Laut, scharfes 's'), die in der
Anlauttabelle nicht berücksichtigt werden können.
Kritische
Fragen sind zu dieser Anlauttabelle in Abb. 14 zu stellen:
Sind
die Abbildungen in dieser Anlauttabelle plausibel/eindeutig? - Können
alle Kinder das jeweils Gezeigte mit einem Wort und auch in lautlicher
Hinsicht korrekt benennen? Was taugen Anlauttabellen, wenn sie
das 'Schwa',
den im Deutschen mit
Abstand am
häufigsten
vorkommenden Vokal
[ə],
stets geschrieben als <e>
wie in bekommen
und Falle,
nicht
darstellen können?
Im Deutschen gibt es kein Wort
mit einem 'Schwa'
als Anlaut, das gilt z. B. auch
für
das stimmlose
[s], geschrieben als <s>-
<ss>- <ß>
wie in Eis, Tasse, Fuß.
Abb.
14
Vielen der gerade erst
eingeschulten Kinder ist die Schreibung der
Buchstaben nicht geläufig, sie beherrschen zur Arbeit mit der
Anlauttabelle auch nicht das Alphabet in der vereinbarten Reihenfolge
der Buchstaben. Um nachempfindbar zu machen, was Kinder,
die
vorschulisch nicht eine
gewisse Vertrautheit mit der Optik der Buchstabenformen
entwickeln
konnten, die
nicht die Schreibung der Buchstaben geläufig beherrschen, die nicht das
Alphabet in der vereinbarten Reihenfolge der Buchstaben kennen, hier
nun eine Anlauttabelle mit teilweise fremden Schriftzeichen in
nicht-alphabetischer Reihenfolge. Vielleicht
sollten die Verfechter von
Anlauttabellen selber einmal versuchen, mit den ihnen nicht
vertrauten Schriftzeichen in Abb. 12 den
Satz
"Gegen faule Zähne hilft kein Knopf im
Ohr, keine schwarze Katze und
kein Hexenchor." zu
verschriften. Zu bedenken ist, dass - im
Gegensatz
zu den gerade erst Eingeschulten - Lese- und Schreibkundige firm sind
in der deutschen Rechtschreibung und sie folglich die Schreibungen
schon vorab kennen.
Eine zu einem
Selbstversuch gestaltete Anlauttabelle: mit - teilweise - fremden
Schriftzeichen
Abb.
15
Wer den Versuch
gewagt hat, mag sich wundern über die der Anlauttabelle nachgesagten
Einsatzmöglichkeiten.
Substantiell
genau so sahen schon vor Jahrzehnten
auch Reichen und Brügelmann/Brinkmann den unterrichtlichen Einsatz von
Anlauttabellen:
Zum
unterrichtlichen Einsatz von
Anlauttabellen heißt
es
jetzt
in
der 'Handreichung' des Ministeriums für Schule und Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen - Hinweise und Materialien für einen
systematischen Rechtschreibunterricht in der Primarstufe in NRW
- (Juni
2019) :
"Sie*
unterstützen allein das alphabetische Prinzip unserer Schrift und sind
deshalb vor allem am Schreibanfang ein Hilfsmittel,
um sich selbständig
schriftlich auszudrücken."
"Von Anfang an
sollte den Kindern die Gelegenheit gegeben werden, gemäß ihrem Können
eigene Gedanken, Informationen und Gefühle aufzuschreiben und sie
anderen zum Lesen zu geben. Damit wird die kommunikative Funktion von
Schrift für sie erfahrbar und zugleich die Rechtschreibung als Service
für die LeserIn persönlich bedeutsam."
*(Anmerkung
d. d. Autor: Anlauttabellen/Fettmarkierungen d. d. Autor)
Reichen und Brügelmann/Brinkmann:
Reichen: "Mit dieser Hilfe kann er
prinzipiell alles schreiben, was er schreiben will. Es wird also von
Anfang an mit dem gesamten Laut- und Buchstabenbestand
gearbeitet, so
dass der Wortschatz keinerlei Einschränkungen unterliegt."
Brügelmann/Brinkmann: "Das
konstruierende Schreiben von Wörtern erlaubt den Kindern, von
Anfang
an ihre eigenen Gedanken und Erfahrungen zu Papier zu bringen
und
damit anderen mitzuteilen. Auf diese Weise wird Schreiben frühzeitig
als funktional erlebt. Diese persönliche Bedeutsamkeit der Schrift
stärkt die Motivation zu schreiben."
(Fettmarkierungen
d. d. Autor)
VI.
Laut-Buchstaben-Verhältnisse
im
Deutschen
Vokale und Diphthonge
Abb. 16
*Für
die Darstellung in Spalte 1 werden - in Anlehnung an das Zeichensystem
der International Phonetic Association (IPA -
https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_IPA-Zeichen) - zumeist solche
Lautzeichen und Lautzeichenkombinationen genutzt, wie sie im
Duden-Aussprachewörterbuch Verwendung finden.
-
Dieser
Buchstabe/diese Buchstabenverbindung kommt im Deutschen niemals als
Anfangsgraphem eines Wortes vor, wenn es mit dem Lautschriftzeichen in
Spalte 1 korrespondiert: In dieser Funktion kann es daher in einer
Anlauttabelle keine Verwendung finden.
-
Dieser
Buchstabe/diese Buchstabenverbindung kann in der Anlauttabelle keine
Berücksichtigung finden, da ein für viele Kinder eindeutiges plausibles
sog. Anlautbild nicht erreichbar ist.
Konsonanten
Abb. 17
*Für die Darstellung in Spalte 1
werden - in
Anlehnung an das Zeichensystem der International Phonetic Association
(IPA - https://de.wikipedia.org/wiki/Liste_der_IPA-Zeichen) - zumeist
solche Lautzeichen und Lautzeichenkombinationen genutzt, wie sie im
Duden-Aussprachewörterbuch Verwendung finden.
-
Dieser
Buchstabe/diese Buchstabenverbindung kommt im Deutschen niemals als
Anfangsgraphem eines Wortes vor, wenn es mit dem Lautschriftzeichen in
Spalte 1 korrespondiert: In dieser Funktion kann es daher in einer
Anlauttabelle keine Verwendung finden.
-
Dieser
Buchstabe/diese Buchstabenverbindung kommt im Deutschen nicht als
Anfangsgraphem eines Wortes vor, es kann daher in der Anlauttabelle
keine Berücksichtigung finden.
-
Dieser
Buchstabe/diese Buchstabenverbindung kann in der Anlauttabelle keine
Berücksichtigung finden, da ein für viele Kinder eindeutiges plausibles
sog. Anlautbild nicht erreichbar ist.
Verschriftungen
mit dem Buchstaben <e>
Abb.
18
Verschriftungen
mit dem Buchstaben <t>
Abb.
19
Zur Vertiefung dieser Thematik:
Für Lehrerinnen und Lehrer unentbehrliches Wissen,
für Eltern eine überaus nützliche und interessante Lektüre:
Günther Thomé: Deutsche
Orthographie: historisch – systematisch – didaktisch, 2.
verbess. Aufl.. Oldenburg 2019.
VII.
Schon
vor Jahrzehnten empörten sich Eltern,
kompetente Lehrerinnen/Lehrer und Fachwissenschaftler:
Warum sie Anlauttabellen für
ein gefährliches
Unterrichtsmittel hielten.
(Beispiele)
In ihrem Studium
bei fachkompetenten Professoren der Sprachwissenschaften und/oder der
Sprachdidaktik sollten Lehrerinnen das sichere Wissen erworben haben,
das sie schon bald nach der seuchenhaften Verbreitung der
unterschiedlichsten Varianten des Konzepts 'Lesen durch
Schreiben'/'Schreiben nach Gehör' befähigte, wissenschaftsbasiert ein
vernichtendes Urteil über diesen als 'modern' bezeichneten Unterricht
zu fällen. Substantiell kamen nicht wenige dabei schon vor
Jahrzehnten zu der Auffassung, die Jahre
später auch Prof. Dr. W. Sendlmeier, Sprachwissenschaftler (Geistes-
und
Bildungswissenschaften, Institut für Sprache und Kommunikation a. d.
Universität Berlin) vertrat (in: Prof.
Dr. W. Sendlmeier: Rechtschreibdidaktiken im 1. Schuljahr – eine
psychologische und sprachwissenschaftliche Einordnung und Bewertung.
Berlin 2015):
"Dieser Ansatz ist eher eine
Mischung aus unterlassener Hilfeleistung und gezielter Irreführung.
Die erheblichen Schwächen dieser Didaktik, falls man sie überhaupt als
eine Didaktik bezeichnen kann, werden auch nicht dadurch kompensiert,
dass Aspekte der Emotion und Motivation in den Vordergrund gerückt
werden. Ohnehin ist unklar, ob diese Aspekte bei diesem Ansatz besser
einzustufen sind; denn woher sollen bei den hohen Frustrationen, die
spätestens in Klasse drei und vier auftreten, oft aber schon früher,
die positiven Emotionen herkommen? Gerade Kinder aus bildungsfernen
Elternhäusern werden mit diesem Ansatz vollends allein gelassen."(ebd.)
Selbstständiges
Lernen von Anfang an: eine forschungsbasierte Vorgehensweise?
Seit
Jahren schon beklagen Lehrerinnen/Lehrer das
Besorgnis erregende Ausmaß
der
Unselbstständigkeit
bei Erstklässlern, zunehmend auch gepaart mit Orientierungslosigkeit
und mangelhaften selbstregulativen Fähigkeiten. Die
Pädagogik reagiert darauf mit ‘modernem
Unterricht‘: Die
Lehrerin/der Lehrer löst sich von den traditionellen Vorstellungen
über das Unterrichten, den sog. 'didaktischen Mythen', sie/er ist jetzt
anwesend in der Rolle als Lernbegleiterin/Lernbegleiter,
Moderatorin/Moderator, Coach. Vom
ersten Schuljahr an ist angesagt:
-
selbstinitiiertes,
selbstständiges, selbstorganisiertes,
selbstregulatives, eigenverantwortliches,
selbststeuerndes,
selbstbestimmtes, eigeninitiatives
Lernen.
(Aus dem 'Wortschatz' der derzeitigen Pädagogik)
Materialzentriert
ist der Unterricht geworden: mit Anlauttabellen sowie mit
einer überbordenden Fülle von vorgefertigten Arbeitsblättern,
Arbeitsheften
und Abschreibvorlagen aus dem reichhaltigen Lernmittelangebot, mit
Raubkopien aus anderen
Lehrwerken (auch Fibeln), mit einem Sammelsurium aus bunten Karten und
Kärtchen. Inzwischen sind auch
Computerprogramme
und die 'sprechende Anlauttabelle' dabei - und Spiele natürlich auch.
Die Arbeitsaufgaben: 'Nachdenken' sollen die Kinder
über ihre Fehler, 'erkundend', 'erforschend',
'erprobend' und 'entdeckend' sollen sich die
Schreibnovizen in die Systematik der Orthographie hineinarbeiten. Die Lernbegleiterin/der
Lernbegleiter
findet sich in der Rolle, 'Hinweise'
zu geben. (Fettdrucke stammen aus dem 'Wortschatz' der
'Handreichung des Ministeriums für Schule und
Bildung des Landes
Nordrhein-Westfalen').
Die
Lehre der sog. 'konstruktivistischen Didaktik', die auf 'Annahmen'
beruht, konkretisiert für den Schriftspracherwerbsunterricht:
Sprach-
und Schreibfähigkeit können nicht lehrgangsgemäß vermittelt werden,
sondern werden aufgrund eigener Erfahrungen vom Individuum als aktiver
Umgang mit dem Lerngegenstand selbst konstruiert. (In: Angela
Enders: Der Verlust von Schriftlichkeit. Berlin 2007)
Selbst
ein Kulturgut wie die Rechtschreibung, der ein höchst komplexes System
mit nicht so ganz einfach zu durchschauenden Regeln zugrunde liegt,
sollen sich Schreibanfänger mit Hilfe von bereit gestellten Materialien
weitgehend selber beibringen können. Das ist dann der radikal offen
gedachte Unterricht des H.
Brügelmann, Erfinder des 'Spracherfahrungsansatzes'.
"Selbsttätigkeit,
Selbstbestimmung, Selbstbewusstsein, Kreativität, Fantasie sind
wichtigere Werte in dieser unserer demokratischen Gesellschaft als
normgetreues Rechtschreibenkönnen." (M. Hüttenberger auf
Brügelmanns
Homepage/Stand: 08.01.2014)
Dieser
'fortschrittlichen Pädagogik'
wohnt indes ein immenses Potential inne, das Selbstwertgefühl und das
Selbstbewusstsein von Kindern zu beschädigen: "Wer orthographische
Defizite aufweist, verringert nicht nur seine Chancen in vielen
Bereichen unserer Gesellschaft, sondern baut unter Umständen sogar
große Barrieren für seine Persönlichkeitsentwicklung auf." (Prof.
Katja Siekmann/ Prof. Günther Thomé: Der orthographische Fehler.
Grundzüge der orthographischen Fehlerforschung und aktuelle
Entwicklungen. Oldenburg 2012)
Mit
der Idee, dass Kinder sich mit Hilfe von Materialien den Weg in die
Schriftsprache selbstregulativ lernend erarbeiten könnten, begründete
der Seiteneinsteiger Brügelmann seinen Ruf als Wissenschaftler:
"Ist
wirklich ein systematischer Unterricht nötig, damit die Kinder lesen
und schreiben lernen? Reicht es nicht aus, eine Vielfalt an Material
und konkrete Anlässe zum Lesen und Schreiben bereitzustellen, um die
natürliche Neugier der Kinder herauszufordern? Noch provozierender: Ist
es gerade die Schule, die durch ihre Art der Unterweisung Barrieren
zwischen den Kindern und der Schrift errichtet und damit Ursache für
Lernschwierigkeiten wird?" (H. Brügelmann: Die Schrift
entdecken.
Konstanz 1989)
Die
aktuell weit
verbreitete Schriftspracherwerbsdidaktik hat es stets vermieden, die
Kinder
danach zu fragen, ob sie den materialzentrierten Unterricht tatsächlich
lieber mögen, die Eltern hat sie ebenfalls nie zu Rate gezogen, welche
Art von Unterricht sie – nach ihren Erfahrungen mit Kindern – für
kindgerecht und erfolgversprechend halten, und die Ergebnisse aus
Lehr-/Lernforschung sowie aus der Psychologie nahm man erst gar nicht
ernst. Der Klavierlehrer zeigt seiner Schülerin, mit welcher
Fingerhaltung sie in die Tasten zu greifen hat, der Geigenlehrer
erklärt und demonstriert seinem Schüler, wie er den Bogen
führen
sollte, der Schwimmtrainer beschreibt und veranschaulicht seinen
Eleven, wie sie ihre Körperhaltung verbessern könnten. Und wer kennt
sie nicht, solche Fragen aus dem familiären Bereich:
"Mami,
zeigst du mir, wie man einen Drachen baut?"
"Papa,
zeigst du
mir, wie man sich eine Mütze häkelt?"
Auch
an solchen immer wiederkehrenden Kinderfragen wird deutlich, wie Kinder
es gerne hätten. Die Hintergründe für die Formulierungen solcher
Kinderwünsche mag die moderne Schriftspracherwerbsdidaktik indes nicht
zur Kenntnis nehmen: Sie könnten die Mär von der kindlichen Sehnsucht
nach selbstregulativem Ausprobieren und Lernen beschädigen.
Schulanfänger warten darauf, dass 'die Lehrexperten' ihnen mit
personaler Nähe und im dialogisch geführten Unterricht erklären, zeigen
und vormachen, warum etwas, was genau und wie etwas zu lernen ist. Und
wie auch ihre Eltern vertrauen sie darauf, dass ihnen außer Wissen und
solidem Können auch solche erprobten Aneignungs- und
Verwendungsstrategien vermittelt werden, die sie vor Irrwegen und
unökonomischen Verfahrensweisen beim Schreibenlernen bewahren können.
Der
'Unterricht' nach den Lesen-durch-Schreiben-Versionen folgt den
Prinzipien des Offenen Unterrichts. Schon lange vor der Hattie-Studie
zeigten zahlreiche unangreifbare wissenschaftliche Studien im In- und
Ausland: Offene Unterrichtsformen
schaden lernschwächeren wie auch lernstarken Kindern.
Darauf
weist auch Professorin Dr. Inez De Florio-Hansen (Universität Kassel)
wiederholt hin:
"Offene
Unterrichtsformen hingegen, zu denen auch von den Schülerinnen und
Schülern verantwortetes individualisiertes Lernen gehört, schaden dem
'Mittelfeld' und den Lernschwächeren. Leistungsstärkere Schülerinnen
und Schüler kommen mit diesen Lernformen zwar zurecht, aber auch sie
könnten noch bessere Lernergebnisse erzielen, wenn die
'Individualisierung' durch Vorgaben und Feedback stärker
lehrergesteuert wäre." (Inez
De Florio-Hansen:
Lernwirksamer Unterricht. Darmstadt 2014)
Wiederum
mit Verweis auf die internationale Forschungslage räumt sie auch mit
weiteren reformpädagogischen Heilsversprechungen der Vertreter des
Offenen Unterrichts auf, indem sie zusammenfasst, "dass soziale,
affektive und sonstige, über Sach- und Fachwissen hinausgehende Ziele
mit angemessener Direkter Instruktion genauso gut, wenn nicht sogar
besser und vor allem in kürzerer Zeit erreicht werden können. Das gilt
für alle Schülerinnen und Schüler, insbesondere aber für Lernschwächere
und Benachteiligte." (ebd.)
Schon
1988 weist Prof. Slavin darauf hin, dass Offener Unterricht zu Lasten
des Lernfortschritts beim Lesen, Schreiben und Rechnen geht und dem
Lernfortschritt gewisse Grenzen gesetzt sind. (Prof.
Slavin: Educational Psychology: Theory into practice, Englewood Cliffs
1988)
Gerade für den Anfangsunterricht wird schon lange mit eindeutigen
Aussagen von der Überlegenheit traditioneller Unterrichtsformen
berichtet : “Wenn am Ende der 1. Klasse die Auswirkungen der beiden
Unterrichtsarten auf den schulischen Fortschritt der Kinder bestimmt
wurden, zeigte sich ein klarer Vorteil des traditionellen Unterrichts“. (Ch.
Klicpera/B. Gasteiger Klicpera: Psychologie der Lese- und
Schreibschwierigkeiten, Weinheim 1998)
Prof.
Wolfgang Schnotz formuliert vorsichtig, aber dennoch dezidiert: „Beim
Erwerb von Grundfertigkeiten wie Lesen, Schreiben und Rechnen sind dem
Offenen Unterricht relativ enge Grenzen gesetzt.“ (Prof.
Wolfgang Schnotz: Pädagogische Psychologie, Weinheim 2006)
Hinreichend
bekannt ist: Die empirische Forschungskompetenz in der deutschen
Erziehungswissenschaft ist stark unterentwickelt. Der junge
Wissenschaftler Maik Philipp (Sprachdidaktiker), auf der Suche nach
empirisch abgesicherten Studien zur Lehr- und Lernforschung, sah sich
folglich im Ausland um und wurde gleich zigfach fündig, mit
erstaunlichen daraus zu gewinnenden Erkenntnissen. (in: Lese-
und Schreibunterricht. Tübingen/Basel 2013)
Als besonders wirksam für den Lernerfolg zeichnete sich dort der
Unterricht nach der von Philipp so benannten "kognitiven Meisterlehre"
aus, die sich an der traditionellen Handwerkslehre orientiert:
Der
Meister demonstriert einen Werkablauf bis zur Fertigstellung eines
Produkts – der Lehrling wiederholt mit der Unterstützung des Meisters
den
Werkablauf, übt darauf mehrere Male noch mit der (nach und nach
abnehmenden)
Unterstützung des Meisters – das eigenständige Üben schließt sich an,
wovon Philipp sagt, es sei
"etwas, das jeder erfolgreiche Sportler und Musiker ebenfalls tun muss.
(Ericsson,
2006)". (ebd.)
Nach
einem in den USA hochgeachteten Pädagogen, Prof. Rosenshine, referiert
M. Philipp in seinem Plädoyer "für die direkte, explizite Vermittlung
kognitiver Fähigkeiten" (ebd.):
"Nach
allem, was bekannt ist, ist es günstig, Strategien direkt und explizit
zu vermitteln. Das bedeutet, dass die Lehrperson vormacht und
kommentiert, wie eine
Strategie in der Anwendung aussieht, ehe die Schüler sie kleinschrittig
anwenden
und üben. Diese lehrpersonzentrierte Vermittlung dient dazu, ein
Maximum an
Struktur und Sicherheit zu geben, während es erklärtes Ziel ist, dass
Schüler Fähigkeiten aktiv erwerben (Rosenshine, 2008)."
"Den
Einsatz von Methoden und Vorgehensweisen, die nicht auf ideologischen
Moden basieren, sondern empirisch fundiert sind - wie in anderen
Ländern weltweit bereits der Fall.", fordert auch
Erziehungswissenschaftler Prof. M. Wellenreuther und verweist auf die
Didaktiker P.
A. Kirschner, J. Sweller und R. E. Clark:
"Warum minimale Hilfen während des Unterrichts nicht ausreichen: Eine
Analyse des Versagens konstruktivistischen, problembasierten,
experimentellen und entdeckenden Unterrichtens (vgl.
Kirschner, Sweller, Clark: Why Minimal Guidance During Instruction Does
Not Work: An Analysis of the Failure of Constructivist, Discovery,
Problem-Based, Experiential, and Inquiry-Based
Teaching 2006)."
(http://www.rpi-virtuell.net/workspace/3719FF1D-F109-402F-96DA-702285484082/dats/2010/
tol-schule/wellenreuther-paedagogische-wende.pdf/
Stand: 09.05.2014)
Dass Schüler durch direktes Instruieren,
Vormachen und durch direktes verständliches Erklären schneller und
effektiver lernen als mit offenen Lernmethoden und dieses Wissen auch
auf neue Situationen transferieren können, finden wir in nicht mehr
zählbaren anglo-amerikanischen Studien, zuletzt bei Hattie, in
Deutschland forschungsbasiert
aufgearbeitet bei Prof. M.
Wellenreuther. (Martin Wellenreuther: Lehren und Lernen –
aber wie? Baltmannsweiler 2014)
Die
Beherrschung einer Schriftsprache ist kein Naturgut. Es sind Wissen und
Können, die als Kulturtechnik sozial vermittelt
werden.
Kulturtechniken wie Schreiben und Lesen, wie auch z.
B. das
Klavier- und Geigenspiel, werden von erfahrenen und fachkompetenten
Personen weitergegeben, die zugleich wissen- und könnengeleitet durch
die
Vermittlung von erprobten Aneignungs- und Verwendungsstrategien
Lernende vor Irrwegen und unökonomischen Verfahrensweisen bewahren
können. Dass Kinder sich Kulturtechniken, die über Jahrhunderte hinweg
entwickelt wurden, entdeckend und selbstgesteuert aneignen könnten, ist
eine Mär. Dass die Kulturtechnik des Klavierspiels nicht naturwüchsig
ist und erlernt und gelehrt werden muss, scheint indes eher
einleuchtend zu sein. Es ist nicht auszudenken, was aus Mozart oder
Beethoven geworden wäre, wenn deren Väter ihnen Klavier, Geige und
Noten ins Kinderzimmer gestellt bzw. gelegt hätten mit dem Ansinnen
„Nun erprobt und entdeckt mal schön!“. Musikfreunde, die deren
Biographien kennen,
wissen, dass sich die Genialität Mozarts und Beethovens nur unter
stetiger personaler Anleitung und straff geführter Aufsicht
ihrer
Väter entfalten konnte.
Für eine Vielzahl von
Kindern muss eine Arbeit mit Anlauttabellen von vornherein
ausgeschlossen werden
Das gilt für alle Kinder mit defizitären
Entwicklungen in den Sprachwahrnehmungsleistungen:
-
Die
optisch-graphomotorische
Differenzierungsfähigkeit:
Sie ist bedeutsam für das
Erkennen und
Schreiben von Buchstaben, die Voraussetzung also dafür,
Lautsprache in Schriftsprache und
Schriftsprache in Lautsprache
umsetzen zu können.
-
Die
phonematisch-akustische
Differenzierungsfähigkeit:
Sie ist die Voraussetzung für das
Sprechen-, Schreiben- und Lesenlernen und bedeutsam für das
Unterscheiden von klangähnlichen, jedoch bedeutungsunterscheidenden
Vokalen und Konsonanten.
-
Die
kinästhetisch-artikulatorische
Differenzierungsfähigkeit:
Eine gut ausgebildete
kinästhetisch-artikulatorische Differenzierungsfähigkeit ist
Voraussetzung für die Sprechmotorik, für normgerechte Lautbildung, für
die richtige Reihenfolge und Vollständigkeit der Laute im Wort.
-
Die
melodisch-intonatorische
Differenzierungsfähigkeit:
Sie ist eine unverzichtbare
Voraussetzung für das Schreiben- und Lesenlernen, für das
Leseverständnis und für das Erlernen der Rechtschreibung und hat
besondere Bedeutung für die Ausbildung des Sprachgedächtnisses.
-
die
rhythmisch-strukturierende
Differenzierungsfähigkeit:
Sie ist unentbehrlich für die
Speicherung von Wort- und Schriftinhalten sowie von Satzschemata.
Grundlagenfunktionen
haben auch die lautsprachlichen Grundfertigkeiten, deren Entwicklung
von größter Bedeutung für das Schreiben- und Lesenlernen ist. Von
vornherein zu den
Verlierern im Anfangsunterricht gehören Kinder mit defizitären
Entwicklungen in diesen lautsprachlichen Grundfertigkeiten:
-
Artikulationssicherheit,
-
Umfang/Qualität
des Wortschatzes,
-
Sprachgedächtnis,
-
Sprachverstehen.
(Prof.
Dr. Dr. Helmut Breuer und Dr. Maria Weuffen (†): Lernschwierigkeiten am
Schulanfang. Weinheim und Basel. Dezember 2006)
Laut Heilmittelbericht von 2013 des
Wissenschaftlichen Instituts WidO der AOK erhielt bereits 2012 eine
unerwartet große Anzahl von Kindern wegen ihrer massiven Störungen der
normalen Sprech- und Sprachentwicklung eine
sprachtherapeutische Maßnahme: Das waren etwa 25 Prozent der
AOK-versicherten sechsjährigen Jungen, bei den gleichaltrigen Mädchen
waren es knapp 17 Prozent.
Grundsätzliche
Probleme bei der Arbeit mit allen '(An)lauttabellen'
Da im Deutschen etliche Laute nicht auch
als
Anlaute vorkommen, sind diese in Anlauttabellen nicht mit einem
Buchstaben/einer Buchstabenverbindung darstellbar. Das gilt
beispielsweise für
den am häufigsten
(!) verwendeten Vokal, für das
Schwa
[ə],
geschrieben als <e> wie in Falle,
gute, gefallen,
geregnet,
wie auch für das stimmlose [s],
geschrieben als <s>- <ss>-
<ß> wie in Eis, Tasse/Fluss
und heiß.
Das
'r' hat in
deutschen Texten eine durchschnittliche Häufigkeit von 7,71 %
und ist damit dort der fünfthäufigste Buchstabe: Mit
den fünf häufigsten Buchstaben ('e', 'n', 'i', 's', 'r') ist rund
die Hälfte der Buchstabenhäufigkeit in deutschsprachigen Texten
abgedeckt. Allerdings wird nicht überall dort, wo der
Buchstabe 'r' in der
Schrift erscheint, dieses 'r' auch
tatsächlich als das Phonem /r/ ausgesprochen - und das ist nicht nur in
seltenen Fällen so. Daraus ergibt sich für das Schreiben mit der
Anlauttabelle eine besondere Problematik.
Könnten
Kinder mit Hilfe der
Anlauttabelle selber entdecken, dass bei der Verschriftung solcher
Wörter
wie
[o:ɐ]/Ohr
- [dɔxt]/dort - [maʃi:rən]/marschieren - [dʊiç]/[doiç]/durch
an
den entsprechenden Stellen
ein
'r' erforderlich
ist? Bei ihrer Artikulation deutet
jedenfalls nichts darauf hin. Insbesondere in
Norddeutschland, im nordwestlichen Rheinland und auch noch südlicher
wird das an sich
konsonantische 'r',
abhängig von der Position
in einem Wort,
nach vokalischer
Lautung gesprochen
wie ein tiefer 'a'-ähnlicher
Vokal: Das konsonantische 'r'
wird
zum vokalischen
'r',
z. B. in Mutter/[mutɐ], Dortmund/[doːɐtmʊnd̯], Bart/[ba:ɐt], Ohr/[o:ɐ]
(von
Kindern nach Anlauttabelle
geschrieben als Mutta,
Doatmund,
Bat, Oa).
Vokalische 'r'-Laute kommen
übrigens wesentlich häufiger vor als konsonantische. (https://www.uni-bielefeld.de
/lili/studium/faecher/daf/personen/richter_julia/lehre/ausspracheschulung/fehlerbeispiele/segmentalia/r-laut-V.html)
Abb. 20
Universität Bielefeld (ebd.)
Als Aussprachevariante von [doːɐtmʊnd̯] treffen wir nicht
selten auch auf [dɔxtmʊnd].
Vor allem im Rheinland, aber bei weitem
nicht nur
dort, schreiben Kinder, weil in ihrer Region das
<r> im
Silbenendrand als [x]
gesprochen wird: Spocht
anstatt Sport, Tochte anstatt Torte und docht
(dort/[dɔxt])
wie 'der Docht'/[dɔxt].
Bisweilen wird auch das
geschriebene 'r'
lautlich nicht
berücksichtigt. Das ist beispielsweise überall dort - auch im Rheinland
- der Fall, wo man z. B. [marʃ] spricht,
aber 'maschieren'
schreibt - weil man es auch mündlich so
artikuliert: [maʃi:rən].
Und wer sich kreuz und
quer im Lande umhört, wird bei der Aussprache von 'durch'
noch ein weiteres Mal
die
Bestätigung dafür erhalten,
dass die Orthographie keineswegs eine
reine oder auch nur halbwegs klare Abbildung des
phonetisch/phonologischen Systems ist. Während der Aussprache-Duden
[dʊrç]
als
Aussprache anbietet, begegnen
wir insbesondere im Raum nördlich des Ruhrgebiets
Aussprachevarianten wie [dʊiç]
und [doiç], also auch
solchen Aussprachevarianten ohne Berücksichtigung des geschriebenen
'r'.
Das Kreismedienzentrum Migration & Integration des Landkreises
Waldshut (südl. Schwarzwald) verweist auf seinen Seiten
für Flüchtlinge und Migranten unter 'Angebote zum
Deutschlernen und zur Landeskunde' auf 'Language
Sheep'.
Hier wird unter der Überschrift "Aussprache auf Hochdeutsch" die
Anleitung zur Aussprache von 'durch'
präsentiert:
Abb. 21
Probleme
ergeben sich auch aus
den bildlichen Darstellungen, Beispiele: Mehr als fraglich ist, ob in
Abb.
11 die Mehrzahl der Kinder unter
A
eine Ameise, unter O
ein Osterei, unter Ö
das Ölkännchen, unter Ü
das Überraschungs-Ei erkennen
können. Mehr als nur fraglich ist auch, ob alle Kinder z. B. das unter
N,
Qu
und Ch
Dargestellte schon in ihr
'Weltwissen' haben aufnehmen können. Außerdem ist davon auszugehen,
dass längst nicht alle Kinder das jeweils Gezeigte mit einem
zutreffenden Begriff und
in lautlicher Hinsicht mit einer korrekten Lautabfolge sowie mit einer
fehlerfreien Ausformung der Einzellaute benennen können.
Immer noch finden
wir in
vielen
Anlaut-/Buchstaben-/ABC-/Laut-/Schreibtabellen
als bildliche Darstellung für
das lange /i:/
als Anlaut den 'Igel'.
Daneben
werden für die
Darstellung des
kurzen
/I/
als Anlaut der 'Indianer'
oder die 'Insel'
verbildlicht.
Das
lange /i:/,
verschriftet als -I-/-i-
am Anfang eines Wortes wie
z. B. in 'Igel'
oder 'Isar',
oder
als Inlaut verschriftet wie
z. B. bei 'Bibel'
und 'Fibel',
in 'mir' und
'dir, gehört
indes
mit nur
8,89% aller Fälle
von
/i:/-Schreibungen
zu
den Ausnahmeschreibungen, wie auch (mit
17,63%) das
lange /i:/
z. B. in 'ihr'
und 'ihnen'
zu
den Ausnahmeschreibungen gehört.
In 72,11
% aller
Fälle (!)
wird nämlich das lange /i:/
verschriftet als -ie-,
wie in
'Sieg', 'Liebe', 'Tier', ..... . In nur
sehr wenigen
Fällen - in 1,36%
aller
Verschriftungen des langen /i:/
- wird das lange /i:/
als -ieh-
verschriftet wie z. B. in 'flieht'
und 'zieht'.
(In: Prof. Dr. G. Thomé et al.
in: Legasthenie und Dyskalkulie. Hrsg.
Prof. Dr. Schulte-Körne, Univ. München. Bochum 2011).
Es
gibt sie noch immer, diejenigen, die sich nicht beirren lassen und
behaupten, dass Schreibanfänger mit Hilfe von Anlauttabellen Wörter und
sogar lesbare Texte verschriften könnten. Dem steht einerseits die
Problematik um die Phonem-Graphem-/und Graphem-Phonem-Beziehungen in
der deutschen Schriftsprache insgesamt entgegen, andererseits die
Tatsache, dass andere
Prinzipien, z. B. das grammatikalische, das
semantische und
das
morphematische
Prinzip weitreichend die Wirksamkeit
der
lautorientierten
Verschriftung
mit
der Anlauttabelle,
insbesondere bei Inlauten und Wortendungen,
außer Kraft setzen können:
-
das
grammatikalische Prinzip: Die
Befolgung dieses Prinzips
erfordert ein hohes Maß an Einsicht in
grammatische Strukturen sowie in den grammatikalischen Aufbau von
Sätzen. So schreiben Kinder,
die die unsinnige grammatische Regel gelernt haben: 'Vor dem
Wort steht ein Artikel, deshalb muss es groß geschrieben
werden': "ein
Kleines auto" - "das Große auto".
-
das
semantische Prinzip:
Das betrifft die unterschiedlichen Schreibweisen von gleichklingenden
Wörtern mit unterschiedlicher Bedeutung. Dass das Wort 'Bank'
unterschiedliches bedeuten kann, ist Deutschsprachlern geläufig, die
Bedeutung klärt der Kontext. Es gibt aber auch das: Lerche -
Lärche , Wahl - Wal, Saite - Seite ..... . Das muss gelernt
werden.
-
das
morphematische Prinzip:
Das ist das Prinzip der 'Wortverwandtschaft'. Mit diesem besonders
wichtigen Prinzip müssen Grundschüler schon
recht
bald befasst werden: was jedoch
gegen jede weitere
Verwendung der Anlauttabelle spricht. Mit
Anlauttabellen ließe sich
'Hund' nur als <Hunt>,
'Bub' nur als <Bup>,
'lieb' nur als <lip>, 'Tag'
nur als <Tak>
schreiben. Hier
hilft den Kindern erst die Frage nach der 'Verwandtschaft' weiter:
Hund/Hunde, Bub/Buben, lieb/lieber, Tag/Tage. Wie schreibt ein Kind das
Wort [bɛlə]/<Bälle>
mit der Anlauttabelle? Es hat
die Auswahl zwischen <Bele>
und <Bäle>,
für die Fragen nach der
'Wortverwandtschaft' sensibilisiert, ist die Lösung jedoch bald
gefunden: Bäle
weil
Bal.
Das ist, wie kompetente
Schreiber wissen, allerdings nur fast die Lösung.
Das
Problem: Weder sprechen wir
noch hören wir die Verdoppelung von Konsonanten wie z. B. in Bälle,
murren,
schaffen,
... . An dieser Stelle ist
kurz auf das silbische Prinzip einzugehen, hier speziell auf das
Silbengelenk. Ein Konsonant
fungiert als Silbengelenk,
wenn
er in zwei
aufeinanderfolgenden Silben hinter dem betonten Vokal
der
ersten Silbe den End-
und vor
dem unbetonten
Vokal
der zweiten Silbe den
Anfangslaut bildet.
Der Konsonant gehört nämlich
zu
beiden Silben: <múr-ren>,
< scháf-fen>,
< Tás-se>,
er schließt die
erste Silbe und bildet den Anfangslaut der nachfolgenden Silbe. Im
Deutschen wird ein Silbengelenk in der Regel durch Doppelschreibung
gekennzeichnet. Für die oben aufgezeigte Schreibung von
'Bäle'
führt diese Regelung zu der
Schreibung: Bäl-le.
Untersucht man nun die
wortverwandtschaftliche Beziehung von 'Bal'
zu 'Bälle',
so ist auch die richtige
Schreibung von
[bal]
nicht mehr zu verfehlen: 'Ball' .
Bälle,
murren,
schaffen,
rennen
- noch immer kursiert indes
bei Lehrerinnen und Lehrern, sogar bei Autoren von Anlauttabellen, eine
völlig inakzeptable, weil falsche Regel zur Verdoppelung von
Konsonanten: Einem kurzen Vokal erfolgt stets eine Verdoppelung
des folgenden
Konsonanten. Doch diese Regel ist schnell widerlegt durch Beispiele wie
abrupt,
baldigst,
Kraft,
Luft,
Schaft.
Während
'der Schaft'
keine nutzbare
Wortverwandtschaft aufzuweisen hat, erklärt sich die Schreibung von 'er
schafft'
aus der Beziehung zu
<schaf-fen>.
Hier wird die bereits oben
erwähnte
Problematik noch einmal angesprochen: die Frage, ob man lautorientiert
mit der Anlauttabelle
verschriftende Kinder parallel dazu mit
Häppchen aus der Orthographie füttern kann/darf/sollte.
Beispiel: Ein
Kind der 1. Klasse schreibt mit der Anlauttabelle lautorientiert
akzeptabel, in orthographischer Hinsicht allerdings nicht korrekt das
Wort
<bele>. Nach
Gebauers neuer
Vorgabe handelt jetzt die Lehrerin/der
Lehrer: Sie/Er kontrolliert die
Schreibungen der Kinder von Anfang
an und markiert diese
Schreibung als Fehlschreibung, denn
von
Anfang
an sollen die
Kinder ja jetzt richtig schreiben. Was nun?
Sollte diese Rückmeldung stumm bleiben? Sollte das <bele>
ohne
weiteren
Kommentar durch <Bälle>
ersetzt
werden? Welche Erklärung für ihre
Intervention haben die Lehrerin/der
Lehrer dem Schreibnovizen anzubieten? Ziemlich
unsinnig wäre es wohl, einem Schreibanfänger, der gerade lernt, mit der
Anlauttabelle Wörter
und Texte zu verschriften,
jetzt mit der oben
gezeigten Lösung nach dem grammatikalischen und dem
morphematischen Prinzip zu kommen. Das
Dilemma ist: Auch Schreibanfänger, die
mit der Anlauttabelle Wörter und
Texte verschriften,
sollen von Anfang an bei
ihren Verschriftungen korrigiert werden und richtig schreiben.
Dies
wäre wohl ein ziemlich
hirnrissiger Weg, die Schreibnovizen in die Systematik
der Orthographie einzuführen:
- die
Kinder fortwährend über
Wochen/Monate mit der Anlauttabelle Wörter und Texte möglichst
lautgetreu verschriften
zu lassen,
- um
sie dann en
passant -
unmittelbar nach ihrem Schreibversuch - bei jedem
orthographischen
Fehler
mit der
orthographisch korrekten Schreibung sowie mit dem jeweils maßgeblichen
orthographischen Prinzip zu befassen.
Wird
diese Frage überhaupt gestellt: Was könnten Kinder aus solchen
Kurzinterventionen lernen? Nachhaltiges Lernen ist immer mit gezieltem
sowie mit vielem Üben verbunden.
Zunehmend
stellen Grundschullehrerinnen und -lehrer fest, dass sie im
Anfangsunterricht bei Null beginnen müssen
Vertreter
der Schreiben-nach-Gehör-Versionen
behaupten, Schulanfängerinnen warteten durchweg voller Spannung und
neugierig darauf, endlich so wie die Erwachsenen schreiben zu lernen.
Bis auf wenige Ausnahmen dürften die heutigen Schulanfänger allerdings
private Briefe, Tagebuch oder Geschichten schreibende Erwachsene, auch
ihre Eltern, noch nicht erlebt haben. Zudem: Die Zahl der Haushalte mit
dem Abonnement einer Tageszeitung ist erheblich geschrumpft wie auch
die Zahl der regelmäßigen Leser von Büchern in einem erschreckenden
Ausmaß abgenommen hat. Aus diesem Befund lässt sich durchaus auch das
Fazit ziehen, dass sich in vielen Familien das Verhältnis zur
Schriftsprache verändert hat und auch die Kinder von diesem Wandel
betroffen sein müssen. Wenn es dann in der Schule um eine erste nähere
Begegnung mit
Schriftsprache geht, so stellen Grundschullehrerinnen und -lehrer
zunehmend fest, dass der Unterricht inzwischen für eine wachsende
Anzahl auch
der deutschen Kinder, besonders derjenigen aus bildungs- bzw.
schreib-/lesefernen Familien, bei Null beginnen muss. Zu denken sei
auch an die vielen Kinder aus Migrationsfamilien, die häufig über
keinerlei Spracherfahrung mit der deutschen Sprache verfügen und in
ihren Heimatländern oder
auch in ihrem neuen Zuhause und dessen Umfeld über
gänzlich andere Schriftzeichen
und Schriftbilder erste Einblicke in das Schreiben und dessen Funktion
bekommen haben.
Es wird auch behauptet, dass die
meisten Kinder bei Einschulung
mindestens sogar schon ihren Namen schreiben könnten: Auch das ist ein
Irrtum, wie nicht wenige Grundschullehrerinnen und -lehrer immer wieder
erfahren. Kinder sind in der Lage, logographische Elemente wie
'Eis',
'ARAL'
oder 'LEGO'
zu
'schreiben' und zu 'lesen': Sie haben sich diese Wörter als Gestalt
gemerkt. So haben sich viele Kinder auch ihren Namen, ganzheitlich als
Gestalt - quasi als Logo -, eingeprägt. 'Alexa' z. B. kann ihren
eigenen Namen 'schreiben' und 'lesen', den Namen ihres Cousins 'Axel'
aber kann sie weder schreiben noch lesen.
Kinder,
die - nach
gut
gemeinter
vorschulischer Hilfe
- bereits das A-B-C
aufzusagen gelernt haben, wurden jedoch sowohl für den
Schriftspracherwerb als auch für die Arbeit mit der
Anlauttabelle alles andere als optimal darauf vorbereitet. Sie lernten
die Buchstaben mit a - be
- ce
- de
- e - ef
- ge
- ha
- ka
- el - te
...... zu benennen und folgern
nun daraus ,
dass sich z. B. 'Tee' ganz einfach verschriften lässt: ein
't'
genügt, weil der Buchstabe ja
schon so heißt, nämlich 'te'.
So kommen denn auch solche
Skelett-Schreibungen
zustande wie z. B. 'dn'
für 'den',
'gld
für
'geld', 'hls' für
'hals' und
'gtan'
für 'getan'.
'Arbeiten' mit der Anlauttabelle' -
für
'Lese- und Schreibkundige' ein leichtes Spiel
Lese-
und Schreibkundige rühmen
sich zuweilen damit, das Alphabet in Sekundenschnelle rückwärts
aufsagen zu können, nicht wenige Kinder haben indes die alphabetische
Reihenfolge nicht einmal im dritten oder sogar vierten Schuljahr
gelernt. Lese- und Schreibkundige
wüssten, sollten sie das Wort 'Z a h n'
mit Hilfe einer der heute
üblichen alphabetisch angelegten
Anlaut-/Laut-/Schreib-/Buchstaben-/ABC-Tabellen (z. B. derjenigen unter
Abb. 11)
schreiben wollen, dass sie
das Bild für den Anlaut
[t͜s]
mit
dem Verschriftungszeichen <z>
ganz hinten in der Tabelle
fänden, den Inlaut [aː] mit
dem Verschriftungszeichen <a>
hingegen ganz am Anfang. Sie
wären auch sachverständig genug, den Endlaut
[n]
mit dem Verschriftungszeichen <n>
ziemlich schnell irgendwo in
der Mitte ausfindig zu machen. Auf der Suche nach dem Anlaut
[t͜s]
mit
dem Verschriftungszeichen <z>
würden nicht alphabetisierte
Kinder tatsächlich zuerst alle Bilder vom <a>
bis zum <z>
durchprobieren müssen. Sie
würden es schließlich hinbekommen, <Zan>
zu schreiben, das in diesem
Fall für das lange
[aː]
erforderliche Schriftzeichen <ah>
bieten Lauttabellen allerdings
nicht an. Das lange
[aː] in
<Zahn>
ließe sich lesen wie ja auch
das lange
[aː]
in <Kran>
als solches gelesen wird.
Deutlich zeigt sich auch an diesem Beispiel, dass sich paradoxerweise
das Konzept 'Arbeit mit der Anlauttabelle' wohl eher am Wissensstand
'Lese- und Schreibkundiger' orientiert.
Auch
in Norddeutschland wird
übrigens nicht mehr ausschließlich vom 's-p'itzen
'S-t'ein
gesprochen: Kinder, die <Spiel>
und <Stein>
meinen, sprechen inzwischen
auch dort [ʃpi:l] und [ʃta͜in]
- und schreiben demzufolge
inzwischen auch <schpil>
und <schtein>,
wenn sie das <sp>
und <st>
nicht gleich in der
Anlauttabelle finden. Der 'Lese- und Schreibkundige' indes, der sich
interessengeleitet auch einmal mit der Anlauttabelle versuchen möchte,
sucht, um [ʃta͜in] zu verschriften, zuerst nach
's'
und darauf nach 'p'.
Bisweilen
werden Kinder von ihren
Lehrerinnen/Lehrern dazu angehalten, etwas zu hören, was gar nicht zu
hören ist
Kinder
sollen
bei ihrem gedehnten
'deutlichen' Sprechen das stumme <h>
hören. Bei der Schreibung hat
dieses sog. stumme <h>
allerdings eine besondere
Aufgabe: Die verschriftete Häufung bestimmter Vokalbuchstaben kann
durch die Schreibung des 'h'
vermieden werden: Das
eingefügte 'h' dient als Lesehilfe. So schreiben
wir <ziehen>
anstatt <zieen>,<wehen>
anstatt <ween>,
das <h>
bleibt stumm: Wieder einmal
dient das Verschriftete als Lesehilfe. Fiele in den
Verben 'nahen',
'drohen'
und 'ruhen'
beim Schreiben das stumme <h>
fort, würde man sicherlich in
einem ersten Fehlversuch das Verb 'naen'
[næːn]
lesen
wie die Verschriftung <nän>, <droen>
läse man wie <drön>/[dʀøːn],
<ruen>
wie <rün>/[ryːn]. Dass das stumme
<h>
in der Anlauttabelle nicht zu
finden ist, versteht sich von selbst.
Und das
Dehnungs-h?
Das
Dehnungs-h ist ebenso beim Sprechen nicht zu
hören: ein
Bild malen
-
Getreide
[zu Mehl] mahlen. Ein
Dehnungs-h finden wir
bei vielen Verben
nach einem gespannten Vokal wie z. B. in <fehlen> und den
Ableitungen daraus, z. B. in< Fehler>. Prof. Dr. Peter
Eisenberg:
"Interessant ist, dass das Dehnungs-h bei Verben des Kernwortschatzes
mit vergleichsweise hoher Wahrscheinlichkeit auftritt." (Prof. Dr. Peter Eisenberg:
Das Wort - Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart - Weimar 2006)
Was natürlich heißt, dass das Dehnungs-h auch in Nomen und Adjektiven,
die von solchen Verben abgeleitet werden, zu setzen ist. Bei dem
Dehnungs-h in <Fehler> handelt es sich also keineswegs um
eine
Ausnahmeschreibung. Prof. Dr. Nanna Fuhrhop zum Dehnungs-h: "Wann steht
das Dehnungs-<h>? Rein statistisch gesehen steht es am
häufigsten
in Verben mit folgendem Stammende: gespannter Vokal -
Dehnungs-<h> - Sonorant (insbesondere <r>,
<l>,<
m> und <n> - (Flexions- bzw. Infinitivendung) zum
Beispiel
<fahren>,<mahlen>,<nehmen>
und <dehnen>." (Prof.
Dr. Nanna Fuhrhop:
Orthografie. Heidelberg 2009 )
In ihrem Aufsatz "Schriftstrukturen entdecken" erfahren wir darüber
hinaus von Prof. Nanna Fuhrhop und Prof. Astrid Müller, dass das
Dehnungs-h in 70% der Verben, deren vokalischem Kern <r>,
<l>, <m> und <n> folgen, zu
finden ist. (Profs.
Nanna Fuhrhop/Astrid Müller:
Schriftstrukturen entdecken. In: Praxis Deutsch; 37. Jahrgang, Mai 2010)
Der weitaus geringere Teil der Verben, deren vokalischem Kern
<r>, <l>, <m> und<
n> folgen, kommt ohne das
Dehnungs-h aus, bemerkenswert dabei: das Gros dieser Verbgruppe ist
abgeleitet von Nomen und Adjektiven: <garen>,
<planen>,
<ölen>, <scharen> etc.. (Prof. Dr. Peter Eisenberg:
Das Wort - Grundriss der deutschen Grammatik. Stuttgart - Weimar 2006)
Beiden Verbgruppen ist gemeinsam, dass das
Vorhandensein/Nichtvorhandensein des <h> beim Sprechen
keinerlei
Bedeutung hat.
Für
Schulanfänger keine Selbstverständlichkeit:
Wortgrenzen zu erkennen
Sprecher
verschleifen beim
Sprechen einzelne Wörter miteinander. Wenn wir eine unbekannte Sprache
hören, wird uns bewusst, wie schwer das Erkennen von Wortgrenzen
ist: Je nach Sprache nehmen
wir sprachliche Äußerungen als fortlaufende Lautereignisse wahr, ohne
eindeutig erkennbare Abgrenzungen, weshalb manche den fortlaufenden
Lautstrom auch als 'Lautbrei' bezeichnen. Erst der kompetente Schreiber
hat kein Problem damit, in seiner Muttersprache größere sprachliche
Einheiten als Wörter samt ihrer Abgrenzungen zu erkennen. Noch
schwieriger ist es wohl für viele Schulanfänger, aus dem Lautstrom
eines gesprochenen Wortes heraus die einzelnen Laute herauszuhören und
zu schlüssigen Lautunterscheidungen
zu kommen.
Die Schulung dieser
Fähigkeiten, die eigentlich bereits im Kindergarten erfolgen sollte,
ist wesentlich für die Anbahnung der sog. phonologischen Bewusstheit:
über die sie allerdings in der Regel erst dann verfügen, wenn sie mit
geschriebener Sprache in Berührung kommen.
Der MAN BADESich unD
der
Mann Fringt den schwam überden
hund aus
erruttscht
in der badewane
erget
aus der badewwne andere sei
der
Mann trognetsich
ab
(Beispiel
aus: Prof. Dr. Christa Röber: 'Die Leistungen der Kinder beim Lesen-
und Schreibenlernen/Grundlagen der silbenanalytischen Methode.
Hohengehren 2009)
Fehlerquelle
'Dehnsprechen'
Insbesondere
bei dem in der
Schule verlangten Dehnsprechen fügen Kinder bei ihrem 'deutlichen'
Sprechen nicht selten akustische Signale ein, die
aber dann bei der
Verschriftung nicht als sichtbare Schriftzeichen erscheinen dürften:
[hεmpt]>
Hempt, [ampt]>
Ampt,
[gants]>
Gants, (rheinisch)
[kɔrəp]>
Korep,
[rɛntst]>
renntst. Kinder fügen allerdings bei ihrer Arbeit
mit der Anlauttabelle die gesprochenen/gehörten akustischen Signale
daraufhin auch als sichtbare Schriftzeichen in ihre Schreibungen ein.
Umgangssprachlich
oder/und dialektal bedingte
Lautanpassungen,
Lautweglassungen,
Lauteinfügungen
Umgangssprachlich
oder/und dialektal bedingt kommt es wegen
Lautanpassungen, Lautweglassungen,
Lauteinfügungen beim
Schreiben nach Gehör bzw. mit
Hilfe der Anlauttabelle zu kaum beachteten Schwierigkeiten. Wir alle
kennen das: Aus
<leben>/[le:bən] wird beim Sprechen [le:bn],
[le:bm],
[le:m] - mit den entsprechenden
Schreibungen, aus <Senf>/[zεnf] kann leicht [zεmf]
oder
[zεnəf] werden, <fünf>/[fʏnf]
wird
zu [fʏmf]
oder
[fʏnəf],
<haben>/[ha:bən]
wird
zu
[ha:bn],
[ha:bm]
oder
[ha:m].
Als bedeutsamste
solcher sog. phonologische Prozesse seien hier zu nennen:
-
Assimilationen
(Lautanpassungen):
[ambindn]
gesprochen wird als 'anbinden' geschrieben, [e:bm]
als 'eben', [lapm] als
'Lappen' , [mεsba:] als 'messbar', ...
-
Elisionen
(Lautweglassungen): [beaxliç] gesprochen
wird als 'beachtlich' geschrieben, [ɛnvʊʁf]
als
'Entwurf', ein langgezogenes [da:m]
als 'Damen', ein langgezogenes [ha:m]
als 'haben', ...
-
Epenthesen
(Einfügung von Segmenten): [ampt] gesprochen wird als 'Amt'
geschrieben, [kɔrɛp]
als
'Korb', [gants]
als 'Gans', auch [thal]
als 'Tal' gehört dazu, ...
Grundsätzlich
gilt darüber hinaus:
Nacheinander gesprochene Laute
beeinflussen sich gegenseitig (Koartikulation). Jeder Vokal ändert seine Qualität, je
nachdem welcher Konsonant vorausgeht oder folgt. Außerdem:
Ein
bloßes [b], [d] oder [k] ohne einen
vokalischen Rest zu sprechen, ist unmöglich.
"Schreib,
wie du
sprichst! Sprich deutlich und hochdeutsch!"
Die
Lesen-durch-Schreiben-/Schreiben-nach-Gehör-Versionen, darunter auch
die 'Rechtschreibwerkstatt' (Sommer-Stumpenhorst), verfolgen
für die Arbeit mit der Anlauttabelle das Prinzip: "Schreib, wie du
sprichst! Sprich deutlich und hochdeutsch!": Kindern und
Eltern wird
noch immer zu oft monate- oder
jahrelang vorgaukelt, dies sei sogar der tragende Königsweg, das rechte
Schreiben zu erlernen.
"Sprich
hochdeutsch!"
'Hochsprache' oder 'Hochdeutsch', in der Sprachwissenschaft ist heute
die Rede von 'Standardaussprache', wobei angemerkt werden muss, dass es
sich hier um keinen 'naturwüchsigen' Standard handelt. Überregional,
frei von landschaftlichen/regionalsprachlichen Ausspracheformen, und
einheitlich, frei von irgendwelchen lautlichen Variationen, so lauten
die für die 'Standardaussprache' formulierten Merkmale. Tatsächlich
wird es kaum jemanden geben, der diesen Standard perfekt beherrscht.
Aus der Sprachwissenschaft wissen wir: "Die artikulatorische
muttersprachliche Kompetenz wird dagegen nur bei einem kleinen Teil der
Bevölkerung die Standardaussprache einschließen. Bei solchen
Standardsprechern handelt es sich zum Teil um Berufssprecher, die die
standardsprachliche Artikulation im frühen Erwachsenenalter
durch gezieltes Aussprachetraining bewusst erworben haben." (Beate
Rues/Beate Redecker/Evelyn Koch/Uta Wallraf/Adrian P. Simpson:
Phonetische Transkription des Deutschen. Tübingen 2014)
Selbst geschulte
Sprecher wie
Schauspieler oder Nachrichtensprecher sind dennoch in der Regel nicht
in der Lage, einen völlig variationsfreien oder von regionalen
Einflüssen unberührten Standard zu artikulieren. Die allermeisten
Sprecherinnen und Sprecher sind jedoch nie
zur
Praxis der
Standardaussprache angeleitet worden. Gesprochen werden anstatt
dessen gruppensprachspezifisch geprägte Umgangssprachen mit zusätzlich
einer
unermesslich großen Anzahl von Varianten an regionalsprachlich
geprägten Umgangslautungen. Kenner der
Sprachregionen in Bayern werden wissen, zu welch unterschiedlichen
Ergebnissen die Menschen im Norden und Süden, im Osten und Westen
dieser Großregion allein bei der Formung z. B. des Phonems /a/ kommen. Die zahlreichen
Aussprachevarianten des standardsprachlich gesprochenen [a] gehören
alle derselben Lautklasse an und müssen daher mit dem Buchstaben
<a> verschriftet werden.
Abb. 22
Die Realität ist wohl mit der
Feststellung richtig
beschrieben, dass nahezu alle Erstklässler bei Einschulung
nicht
in der Lage sind,
sich standardsprachlich, also 'hochdeutsch', zu artikulieren.
Das wissen der Sprachdidaktiker Prof. Günther Thomé et al. und fordern,
dass die Vermittlung der Standardlautung Teil des
Schriftsprachcurriculums - folglich eine schulische Aufgabe -
sein sollte.
(In:
Prof. Günther Thomé
et al.: Phonem-Graphem-Verhältnisse in der deutschen Orthographie, in:
Prof. Gerd Schulte-Körne (Hrsg.): Legasthenie und Dyskalkulie. Bochum
2011.) Die meisten deutschsprachigen
Kinder sprechen gruppensprachspezifisch geprägte
Umgangssprache
mit
regionalsprachlich gefärbter Umgangslautung:
Das
alles führt dazu, dass
eine unermesslich große Anzahl von Varianten an Umgangslautungen
entsteht. Deswegen könnte natürlich auch für das Phänomen
'Umgangssprache' nicht so etwas wie
eine
'Norm' entworfen werden.
Es
bleibt festzuhalten: Bei weitem nicht alle Kinder erfahren
standardsprachliche Artikulation in
persönlichen Begegnungen.
Nicht selten wachsen
sie heute kommunikations- und spracharm sowie/oder mit nachlässiger
Sprache auf, ihre Sprache ist schwächer oder stärker (regional
unterschiedlich) dialektbeeinflusst, beeinflusst auch durch
sozialschichtspezifische sprachliche Ausprägungen. Auf Migrantenkinder,
die kaum die deutsche Lautung korrekt beherrschen und in einem Umfeld
leben, in dem vorwiegend nicht deutsch gesprochen wird, muss in diesem
Zusammenhang nicht besonders eingegangen werden: Sie gehören zu den
großen Verlierern solchen Unterrichts mit Anlauttabellen. Auch
daran sei erinnert: Die
standardsprachliche
Artikulation ist nur durch gezieltes und intensives Aussprachetraining
bewusst zu erwerben. (Beate Rues/Beate
Redecker/Evelyn Koch/Uta Wallraf/Adrian P. Simpson: Phonetische
Transkription des Deutschen. Tübingen 2014).
"Schreib, wie du sprichst!"
Gymnasiallehrer klagen schon
lange darüber, dass nicht wenige ihrer Schülerinnen auch in ihren
Abitur-Klausuren in Zweifelsfällen noch immer am liebsten dieser
unsinnigen Maxime "Schreib, wie du sprichst!" folgen
mochten: Es ist davon auszugehen, dass es sich dabei um solche
Schülerinnen und Schüler handelt, derer sich in ihrer Grundschulzeit
niemand rechtzeitig annahm, mit ihnen die antrainierten in die Irre führenden (oben näher erläuterten) Denk-
und
Handlungsprozeduren aufzuarbeiten. Sie lernten
nie, "dass die
Relationen zwischen Schriftsystem und Lautsystem vielschichtig und z.
T. verwickelt, ja verworren sind" und keineswegs "die Orthographie eine
reine oder auch nur halbwegs klare Abbildung des
phonetisch/phonologischen Systems" ist. (Prof. Dr. Karl-Heinz
Ramers: Einführung in die Phonologie, München 2001).
"Sprich
deutlich!"
Niemand
wird als guter Sprecher
geboren.
Wer's später immer noch nicht
kann, kann's aber lernen, Googeln hilft weiter bei der Suche nach
Rhetorik-Seminaren. Deutliches Sprechen lernen: Es geht letztlich um
das Beherrschen der Lautformungsorgane, die Universität Potsdam zeigt
die Problematik auf:
Für
die Vermittlung und
Aneignung einer
deutlichen Aussprache, bei der sich die einzelnen Laute ausgeprägt
voneinander unterscheiden, "ist es
erforderlich, sich über die Einteilung der Artikulationsorgane in
aktive und passive bewusst zu sein. Die aktiven Artikulationsorgane,
die durch differenzierte und koordinierte Bewegungen und Verformungen
Größe und Form des Ansatzrohres verändern, durch Öffnungs-, Enge- und
Verschlussbildungen den Luftstrom gliedern bzw. den Primärklang
resonatorisch variieren, befinden sich im Wesentlichen im Mundraum:
Lippen, Unterkiefer, Zunge, Gaumensegel, Zäpfchen. Jene Teile des
Ansatzrohres, die sich bei der Artikulation passiv verhalten, werden
passive Artikulationsorgane genannt. Dazu zählen: Zähne, Zahndamm,
harter Gaumen, Nasenraum, Kehlkopf."
-
mit Störungen der normalen Sprech- und
Sprachentwicklung,
-
mit Defiziten in den lautsprachlichen
Grundfertigkeiten (siehe oben!)
-
mit Hörfehlern,
-
mit Aussprachefehlern,
-
mit – wie auch immer bedingten –
Störungen auf dem
Weg vom Hören zum Sprechen
-
aus einem Umfeld mit nachlässiger
Aussprache,
-
aus Familien/Regionen, in denen die
Aussprache von
einem Dialekt beeinflusst wird,
-
aus
Migrantionsfamilien, die kaum die deutsche
Lautung korrekt beherrschen und in einem Umfeld leben, in dem
vorwiegend nicht deutsch gesprochen wird.
Dass
auch diesen Schulanfängern
eingeschärft wird, zum Gelingen ihres Tuns mit der Anlauttabelle strikt
das Prinzip: "Sprich deutlich und hochdeutsch!" zu beherzigen, ist
schon absurd. Wenn nun von den so angeleiteten Kindern mit ihren
Defiziten bei der standardlautlichen Aussprache auch noch abverlangt
wird, sogar ganze Texte
zu verschriften, ist es nicht verwunderlich, dass Schreibungen
entstehen, die von Fremdlesern kaum mehr in gesprochene sinngebende
Wörter/Texte zurückübersetzt werden können: Das können oft sogar - nur
wenige Stunden nach der
Verschriftung - auch
die schreibenden Kinder nicht mehr. Schon nach wenigen Tagen sind
sie regelmäßig
nicht mehr in der Lage, sich daran zu erinnern, was sie mit
Verschriftungen wie z. B. 'VAKATEN'
(Fahrkarten) oder 'FAN'
(fahren) wohl gemeint haben
könnten. Es gibt Vertreter der Schreiben-nach-Gehör-Versionen,
die immer wieder beteuern, dass es bei
der Arbeit mit der Anlauttabelle eigentlich nicht darum ginge, dass die
Kinder sich auf diesem Wege die Rechtschreibung selber beibringen
sollten. Ein Eingeständnis von sonderbarer Klugheit: Zumindest gibt es
Ahnungen davon, dass die Arbeit mit der Anlauttabelle zum Erlernen des
Regelsystems der Rechtschreibung nichts
beiträgt. Diese Frage kann diesen Lehrerinnen/Lehrern natürlich nicht
erspart bleiben: Mit welcher Begründung darf die Anlauttabelle dennoch
für 1 Jahr oder sogar noch länger das Leitmedium
des Anfangsunterrichts im Fach
Sprache sein?
"Schreib,
wie du sprichst!
Sprich deutlich und hochdeutsch!" Gewarnt wird vor dieser Art von
Unterricht, wenn man ihn denn überhaupt als solchen bezeichnen kann,
schon lange. Dieser 'Unterricht' ist schädlich, weil er verhindert, die
Kinder "und das ist lerntheoretisch gravierend - Orthographie als ein
Regelsystem, das erkundbar ist, wahrnehmen zu lassen." Sie haben
"Schreiben nicht als kognitive Aufgabe kennen gelernt, die von Anfang
an über einen regelbasierten Wissensaufbau zu lösen ist.“ Die Folge
ist, dass "die zu Beginn des Lernprozesses erworbene Lautfixierung der
zentrale Faktor" des Schreibens bleibt.
(Prof. Christa Röber in:
Renate Valtin/Bernhard Hofmann (Hrsg.): Kompetenzmodelle der
Orthographie. Berlin 2009)
VIII.
Anstatt
eines Schlussworts: ein Kinderwort
zur Anlauttabelle
"Dann
kann ich die nicht
brauchen!"
Schulbuchverlage
sowie deren Autoren haben es in
Sachen 'Schreiben nach Gehör' entgegen allem wissenschaftlichen
Sachverstand ein weiteres Mal geschafft, im Schulministerium des Landes
NRW ihre Interessen durchzusetzen. Laut Schulministerin
Gebauer
darf nun in NRW auch
weiterhin nach dem abstrusen Konzept 'Lesen durch Schreiben' - zusammen
mit der
'Anlauttabelle
als Leitmedium - unterrichtet werden.
Pädagogisches
Storytelling ist eine besondere Kunstform, die in der modernen
Pädagogik gerade wieder einmal ihre Blütezeit erlebt: Hier
ein Auszug aus einem Elternbrief an die Eltern
von Erstklässlern zum Thema 'Schreiben nach Gehör' mit der
Anlauttabelle.
(https://zebrafanclub.de/materialien
/Stand: 30.06.2019)
Unterricht
nach diesem Konzept des Klett-Lehrwerks 'ZEBRA' (eines von vielen
weiteren solcher Konzepte auch anderer Schulbuchverlage) lässt auch
weiterhin Eltern verzweifeln an der
pädagogischen Ignoranz vieler Lehrerinnen und
Lehrer:
"ZEBRA
folgt einem schreiborientierten
Ansatz.
Was bedeutet das? Ihr Kind lernt erst schreiben und dann lesen. Das
funktioniert so: Anders als bei einer klassischen Fibel gibt es im
schreiborientierten Ansatz keine vorgegebene bzw. festgelegte
Reihenfolge, in der die Buchstaben erarbeitet werden. Die Kinder
können gemeinsam mit der Lehrperson bestimmen, welchen Buchstaben
sie zu welchem Zeitpunkt lernen möchten. Xaver kennt wahrscheinlich
schon den Laut X und möchte sich mit ihm gleich zu Beginn
beschäftigen. Anna kann den Laut X noch zu einem späteren Zeitpunkt
entdecken, denn sie liebt das A. Die Schreibtabelle, die im
Buchstabenheft zu finden ist, ist hierbei der Dreh- und Angelpunkt.
Alle Buchstaben stehen in Verbindung mit einem Lautbild, das am
Buchstaben abgebildet ist. Anhand dieser Bilder kann man einen
Buchstaben mit dem dazugehörigen Laut verknüpfen, z.B. A für Affe,
B für Baum. So kann sich Ihr Kind die Buchstaben nach freier Wahl
erarbeiten und sogar eigene Texte verfassen und den Laut auf diese
Weise verinnerlichen. Ihre Tochter oder Ihr Sohn versucht, den ersten
Laut aus dem Wort herauszuhören und sucht dann auf der
Schreibtabelle das passende Bild, das dem Laut entspricht. Der
dazugehörige Laut wird als Buchstabe aufgeschrieben – am Anfang
ist dies eher ein „Malen“. Durch langsames, deutliches Sprechen
wird versucht, auch die nachfolgenden Laute herauszuhören. Immer
wieder folgen die Zuordnung zum Lautbild und das „Abmalen“ des
Buchstabens. Aller Anfang ist schwer. Die Kinder lernen nach und
nach, die Laute in einem Wort herauszuhören und in richtiger
Reihenfolge aufzuschreiben. Diese ersten Schreibversuche sind noch
nicht immer rechtschriftlich korrekt. Nun müssen die Kinder lernen,
nicht nur den einzelnen Laut, sondern größere Einheiten – wie
etwa die Silbe – in den Blick zu nehmen. Unterstützt wird dies
durch die Strategie des Silbenschwingens, die ebenso für das Lesen
wichtig ist. [.....]
Loben
und motivieren Sie ihr Kind während dieses Prozesses regelmäßig.
Für Ihr Kind ist es eine wunderbare Erfahrung, wenn es ein Wort
erkennt und „vorliest“. Die kostenlose ZEBRA-Schreibtabellen-App,
die Sie im 'Appstore'
und im 'Google
Play Store'
herunterladen können, unterstützt ihr Kind bei den allerersten
Schritten seiner persönlichen Schreib- und Leseentwicklung. [.....]
Sobald
Ihr Kind mit Hilfe der Schreibtabelle, dem Buchstabenheft und vielen
Texten aus eigener Feder schreiben gelernt hat, kann es mit dem
Arbeitsheft Sprache weiterarbeiten. Dort entdeckt es mit Hilfe der
sogenannten Rechtschreibstrategien die Regelmäßigkeiten und
Besonderheiten der deutschen Sprache."
(Zu
finden
auch unter:
https://downloadpool.grundschul-blog.de/download/franz/franzschuljahr/schulstart/
Zebra_Elternbrief.doc/
Stand:
30.06.2019)Es gibt Kinder, die kommen
allein - oder: mit wessen Hilfe auch immer - schon recht bald dahinter,
dass sie sich mit Hilfe der Anlauttabelle auf Dauer weder der
orthographisch
richtigen noch einer wenigstens - auch für andere - irgendwie
lesbaren Verschriftung nähern können, die sich als 'Kommunikation'
bezeichnen ließe. Das kurz zuvor Verschriftete können sie oft dann auch
bald schon selber nicht mehr lesen. Die Folge: Sie mögen, da
demotiviert, an einem solchen 'Unterricht' nicht mehr aktiv teilnehmen.
Ihre Zweifel bezüglich der Sinnhaftigkeit des ihnen gebotenen
Schriftspracherwerbsunterrichts nähren nicht selten neue Zweifel: am
gesamten unterrichtlichen Geschehen überhaupt. Die Folgen können
verheerend sein.
Und
was sagen Kinder zu ihrem Tun mit der Anlauttabelle? Lehrerinnen und
Lehrer, die mit Hilfe der Anlauttabelle verfasste Texte korrigieren
oder den Kindern wiederholt als
Rückmeldung eine korrigierte fehlerfreie Version mit der Anmerkung
"So schreiben die Erwachsenen!" (o. ä.) anbieten, meinen
es sicherlich gut. Grundschullehrerinnen und -lehrer berichten jedoch
immer wieder davon, dass etliche Schreibanfängerinnen und
Schreibanfänger schon recht bald nach solchen Lehrerinterventionen
vor der Klasse (!) die Frage nach dem Sinn ihres Tuns mit der
Anlauttabelle stellen – und manche sogar mürrisch folgern: "Dann
kann ich die nicht brauchen!" (In: Ursula Bredel/Nana
Fuhrhop/Christina Noack: Wie Kinder lesen und schreiben lernen.
Tübingen 2011)
Wie
die Grundschullehrerinnen und -lehrer dieser wachen
Schreibanfängerinnen und Schreibanfänger reagiert haben, wissen wir
nicht. Ihnen hätte ein dickes Lob gebührt dafür, dass sie so rasch
herausgefunden haben, dass die eingeforderten Denk- und
Handlungsprozeduren nach
dem einprägsam formulierten Slogan 'Schreib,
wie du sprichst!' und die vielen Schreibübungen mit Anlauttabellen
bei aller Anstrengung nicht zu dem führten, was ihre Lehrerinnen und
Lehrer ihnen zum Schulanfang versprochen hatten: jetzt schreiben zu
lernen wie die Erwachsenen.